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zur Person:
 -geboren 21.06.1931 in Schönebeck/ a.d. Elbe
-1950-1953 Studium der Journalistik in Leipzig
-Mitarbeiter/ Kulturredakteur der Zeitung “Freiheit” in Halle
-seit 1960 Mitglied im Deutschen Schriftstellerverband
-seit 1960 freischaffend in Halle tätig
-war ab 1963 für viele Jahre Mitglied der SED-Bezirksleitung Hale
-erhielt diverse Preise: 1964 Nationalpreis; 1971 Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste, deren Mitglied er von 1974-1991 war; 1974 Vaterländischer Verdienstorden; 1979 Kunstpreis der FDJ; 1981 Nationalpreis; 1984 Banner der Arbeit
-seit 1990 Mitglied des Verbands Deutscher Schriftsteller (der Bundesrepublik Deutschland)

Werke (Auwahl):
“Bitterfelder Geschichten” (1961), “Die anderen und ich” (1970), “Spur der Steine” (1964, Roman), “Auf der Suche nach Gatt” (1973, Roman), “Olaf und der gelbe Vogel” (1972, Kindererzählung), Text zum Libretto der Gegenwartsoper “Karin Lenz “ (1971, Musik von G. Kochan), “Haut oder Hemd” (1971, Schauspiel)1

 

In der Berliner Zeitung erschien am 21.06.2001 auf Seite 15 der Artikel “Moralist im Niemandsland - Erik Neutsch, der Autor von “Spur der Steine” , wird heute siebzig Jahre alt” (Text: Volker Müller).

Der Artikel würdigt den Schriftsteller anlässlich seines 70. Geburtstages und zeichnet das Bild eines Künstlers, der sich zu DDR-Zeiten kritisch mit dem politischen System auseinandersetzte. So heißt es in dem Artikel: “ [...] Hätten wir es denn bei dem Jubilar mit einem verbohrten DDR-Nostalgiker zu tun? Das nun auch wieder nicht. So paradox es klingt: Das frühere Mitglied der SED-Bezirksleitung Halle, der Funktionär des DDR-Schriftstellerverbandes, der in Reden und Aufsätzen die Gesellschafts- und Kulturpolitik von Partei und Staat verfocht - er brachte sich mit seinen literarischen Helden zunehmend gegen sich selbst auf. [...]”
Der Artikel erläutert sodann die stets wiederkehrende Thematik seines Schaffens anhand ausgewählter Werke: “[...] Schon dem Erstling von 1960, der “Regengeschichte”, in der es um ungerechtfertigtes Misstrauen nach einer tragischen Havarie in einem Chlorbetrieb geht, wohnt ein individueller moralistischer Anspruch inne, der sich mit den kollektivistischen Zwängen eines Parteisoldaten reiben muss. Mit dem Selbsthelfer Balla, mit dem Arbeiter und Journalisten Gatt, der wahrheitssuchend sich verbiegen lässt und doch wieder aufbricht zu sich selbst (das Manuskript “Auf der Suche nach Gatt” lag bis zur Veröffentlichung 1973 fünf Jahre auf Eis), mit Achim und Ulrike Steinhauer, Frank Luther und Matthias Münz im unvollendeten Entwicklungsroman “Der Friede im Osten” (1974-1987) fordert Erik Neutsch rigoros die selbstachtende Moralität des Einzelnen; sie steht gegen einen qua Ideologie und Parteimacht “gesetzten” und angemaßten moralischen Führungsanspruch. Ballas Freund Horrath, der menschlich scheiternde Parteisekretär, spricht es aus, wenn er die Menschen verachtenden Herrschaftspraktiken beklagt: “Ich war nie frei genug. Es fällt mir schwer, diese innere Gefangenschaft von [...] fünfundzwanzig Jahren abzuschütteln.” Immer hartnäckiger attackiert Neutsch die moralische Verlogenheit des Systems. In der Erzählung “Zwei leere Stühle” (1979) ist der nicht zum Klassentreffen erschienene opportunistische Primus und Parteikarrierist Lichtenfeld nach dem Westen gegangen, der ewig gemaßregelte Tunichtgut Tolls als vorbildlicher Armeeoffizier ums Leben gekommen. In der Erzählung “Claus und Claudia” (1989) lässt Erik Neutsch eine Hebammenschülerin an der Kälte und Herzlosigkeit ihrer Ausbilderinnen zerbrechen. Man kann dieses Stück gar nicht anders lesen denn als Metapher, dass die DDR nur noch abdanken kann. [...]” Der Artikel arbeitet als Kernthema von Neutschs Schaffen den unvereinbaren Gegensatz zwischen der Moral des Einzelnen und der kalten Staatsideologie heraus. Die Protagonisten reiben sich demnach an den gesellschaftlichen Normen auf der Suche nach individueller Entfaltung.
Gefragt zu den Entwicklungen nach 1989, gibt der Artikel Neutschs abgeklärt anmutende Antwort mit den Worten wieder: “[...] Was 1989 passierte, habe ihn nicht mehr überraschen können, sagt Neutsch. Jemand hatte ihn vor einigen Jahren einen “Moralisten im Niemandsland zwischen Realitätserfahrung und Parteidisziplin” genannt. Das treffe es. [...]”

 

Fußnoten:

1Barth, Bernd-Rainer/ Mayer, Herbert: “Neutsch, Erik”, in: Müller-Enbergs, Helmut/ Wielgohs, Jahn/ Hoffmann, Dieter (Hg.), Wer war wer in der DDR?, Ein biographisches Lexikon, unter Mitarbeit von Olaf W. Reimann und Bernd-Rainer Barth, Bonn 2001, S. 621f.