Handelsorganisation (HO)
Seit 1948 war “Handelsorganisation” der Terminus für den volkseigenen Einzelhandel und das volkseigene Gaststätten- und Hotelwesen.
Der Aufgabenbereich der HO und ihrer zugehörigen Betriebe umfaßte den Wareneinkauf beim Großhandel sowie den anschließenden Verkauf.
Dabei waren die Entwicklung der HO und die Umsetzung ihrer Aufgaben im Volkswirtschaftsplan festgelegt.1
Verwaltungsstruktur2
Ministerium für Handel und Versorgung
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HO-Hauptdirektion
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Räte der Bezirke
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HO-Bezirksdirektionen
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HO-Volkseigene Versand- und Warenhausvereinigung “Centrum”,
HO-Wismut, HO-Spezialhandel, Vereinigung “Interhotel”
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Kaufhalle
Die Kaufhalle war eine Großraumverkaufstelle. Sie umfaßte mindestens 180 m². Das Sortiment beinhaltete vor allem Nahrungs- und
Genußmittel, aber auch Industriewaren des täglichen Bedarfs.
Sie war vergleichbar mit den bundesdeutschen Supermärkten.3
Kaufhallenverband
Mehrere Kaufhallen eines Marktgebietes, besonders in der Großstadt, schlossen sich zu einem Kaufhallenverband zusammen. Dieser
war an ein Zentrallager gekoppelt, das die Kaufhallen mit Produkten belieferte.4
KONSUMGENOSSENSCHAFT KG
Die Konsumgenossenschaft war eine Massenorganisation, die ihre Verbraucher zum einen mit Konsumgütern und Dienstleistungen versorgte und zum anderen ihre Mitglieder am Umsatz beteiligte.
Bereits im 19. Jahrhundert gab es in Deutschland Konsumgenossenschaften. Zusammen bildeten sie den Zentralverband Deutscher Konsumvereine (1903) bzw. den Reichsverband
Deutscher Konsumvereine (1908). Im 3. Reich wurden die Konsumgenossenschaften aufgelöst.
Nach Beendigung des 2. Weltkrieges wurden sie auf Anordnung der sowjetischen Alliierten auf dem Gebiet
der späteren DDR am 18.12.1945 erneut ins Leben gerufen.7
Verwaltungsstruktur8
Konsumgenossenschaftsverband (KGV) |
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Verband der Konsumgenossenschaften der DDR
(VdK) |
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Bezirksverbände der Konsumgenossenschaften
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Konsums
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23 größere
konsumgenossen- schaftliche Produktionsbetriebe
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gemeinsames Konsum-, Handels- und Produktionsunternehmen “konsument”
zentrale Wirtschaftsvereinigung für Obst, Gemüse und Speisekartoffeln
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Konsum
Das Wort kommt aus dem Italienischen consumo. Es bedeutet “Verbrauch”.
Eine Verkaufsstelle der Konsumgenossenschaft wurde “Konsum” genannt.5
“konsument”-Warenhäuser
Die Warenhäuser, die zusammen mit dem konsumgenossenschaftlichen Versandhaus und wichtigen Produktionsbetrieben das Zentrale
Konsum-Handels- und Produktionsunternehmen “konsument” mit Sitz in Karl-Marx-Stadt darstellten, zählten aufgrund ihrer großflächigen
Versorgungsfunktion sowohl für die Städte als auch die Dörfer nicht zu den regionalen Konsumgenossenschaften.
Sie unterstanden direkt dem zentralen Führungsorgan des Konsumgenossenschaftsverbandes KGV, dem Verband der
Konsumgenossenschaften der DDR VdK.6
KAUFHAUS
Das Kaufhaus bot auf großer Verkaufsfläche vor allem Industriewaren verschiedener Branchen an.
Kaufhäuser befanden sich vorrangig in industriellen Ballungsgebieten und mittelgroßen Städten.9
KAUFHAUSVERBAND
Mehrere Kaufhäuser bildeten in einem abgegrenzten Marktgebiet, meistens einem Bezirk, einen Kaufhausverband. Dieser stellte einen
Handelsverband dar.
Als Kaufhausverbände sind zu nennen:
Verband volkseigener Kaufhäuser “Magnet” mit Sitz in Karl-Marx-Stadt (Zwickau), und der Verband der Konsum-Textil- und
Bekleidungshäuser Berlin, Abk. “Kontex”-Kaufhäuser.10
Exquisit- und DelikatlAden
In den 1970er Jahren stiegen auf dem Weltmarkt die Preise, so daß die DDR zum Einkauf ausländischer Güter nicht ausreichend Devisen
besaß. Dadurch verschärfte sich die Wirtschaftslage der DDR.
Um den Bedürfnissen der Bevölkerung einigermaßen gerecht zu werden, wurden seit 1978 in Großstädten Verkaufsstellen eingerichtet,
die neben einheimischen Produkten auch Güter aus nichtsozialistischen Wirtschaftsgebieten (NSW) führten. Sie boten Waren an, die
man in den Regalen anderer Geschäfte vergeblich suchte. Allerdings waren die Preise sehr hoch, so daß die Produkte nicht für jeden
erschwinglich waren. So kostete eine Dose Ananasstückchen, die in der Bundesrepublik bereits für 1 DM erhältlich war, in der DDR 8 M.
Delikatläden verkauften Lebensmittel, z.B. den schokoladigen Brotaufstrich “Nudossi”, feine Wurstwaren und Obstkonserven.
Das Sortiment von Exquisitläden umfaßte Textilwaren, d.h. Ober- und Unterbekleidung, Feinstrumpfhosen, Schuhe und Accessoires.
INTERSHOP
“Sie entwickelten sich zu Tempeln einer gesamtdeutschen und systemübergreifenden Konsumideologie und trugen entscheidend zur
Paralyse des real existierenden Sozialismus bei. Die mühsam eingepaukten Parolen vom “verfaulenden Kapitalismus” brachen angesichts
ihrer bunten Warenwelt in sich zusammen. Wirklich verfault roch es im volkseigenen Obst- und Gemüsehandel, und zwar selbst dann
noch, wenn alle Waren aus den Regalen verschwunden waren. Im Intershop dagegen duftete es überwältigend nach süßlich-parfümierten
Reinigungsmitteln, Waschpulver und Seifen, untermischt mit dem herben Duft von frischgeröstetem Kaffee und dem aufregenden Geruch
der nagelneuen Hochglanz-Werbe-Broschüren und Verpackungen. Diese Verbindung war einmalig und unnachahmlich. Schon die kleinen
Kinder in der DDR lernten, daß es zweierlei Sorten Geschäfte gab, in denen man mit unterschiedlichem Geld einkaufen mußte.”11
Die ersten Läden entstanden 1955 in den Hafenstädten Rostock und Wismar. Kunden waren
Schiffreisende und Matrosen, denen man neben Reiseartikeln auch Süßigkeiten und Tabak verkaufte.
1962 entstand die Zentral-Kommerz GmbH. Es eröffneten weitere Geschäfte, die auf Flughäfen,
Transitstrecken und in Hotels für ausländische Besucher ihre Ware anboten.
Die Läden erkannte man bereits von weitem. Sie wurden meist in Wellblechcontainern eingerichtet,
deren Fenster vergittert waren. Dadurch hatte man schon beim Betreten des Intershops das Gefühl, etwas zu tun, was geduldet, aber nicht gern gesehen wurde. Außerdem konnte von der Polizei der
Ausweis kontrolliert und der Besitz von Devisen bestraft werden. Deshalb war es bis zur Aufhebung dieser Bestimmungen im Jahr 1974 ein Risiko, einen Intershop zu betreten.
Am 7.12.1976 entstand die “Forum HmbH”. Sie kaufte die Waren ein, bestimmte die Preise und beanspruchte die Einnahmen.12
Verkauft wurden nun nicht mehr nur Nahrungs- und Genußmittel, sondern auch Kleidung und
Elektronik. In den Großstädten Berlin und Leipzig entwickelten sich manche Intershops zu kaufhausähnlichen Einrichtungen.
Viele verkaufte Produkte stammten aus der Gestattungsproduktion. Westliche Firmen nutzten die preisgünstigen
Produktionsmöglichkeiten in der DDR und bezahlten dafür zum Teil in Naturalien.
Auf diese Weise waren manchmal hochwertige Westprodukte wie z.B. Salamander-Schuhe in den Geschäften der DDR erhältlich.13
“Geschenkdienst- und Kleinexport GmbH GENEX”
Das Unternehmen mit Sitz in Berlin wurde am 20.12.1956 gegründet. Ursprünglich war es ausschließlich für Kirchengemeinden zuständig.
Bundesdeutsche konnten Waren wie Fernsehgeräte, Möbel, Haushaltsgeräte, aber auch Fahrzeuge und Bungalows aus einem Katalog
bestellen, die ihren Verwandten oder Freunden in der DDR geschickt wurden.
Aber auch wenigen DDR-Bürgern, die Devisen besaßen, war es möglich, Waren zu bestellen.14
Fußnoten:
1 Handelsorganisation, in: Meyers Neues Lexikon Bd. 6, 2. völlig neu erarb. Aufl., Leipzig 1973, S. 111. 2 ebd.
3 Kaufhalle, in: Meyers Neues Lexikon Bd. 7, 2. völlig neu erarb. Aufl., Leipzig 1973, S. 414. 4 Kaufhallenverband, ebd. 5 Konsum, in: Meyers Neues Lexikon Bd. 8, 2., völlig neu erarb. Aufl., Leipzig 1974, S. 15.
6 “konsument”-Warenhäuser, ebd. 7 Konsumgenossenschaft, ebd. 8 ebd. 9 Kaufhaus, in: Meyers Neues Lexikon Bd. 7, S. 414. 10 Kaufhausverband, ebd.
11 Wolle, Stefan, Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR. (1971-1989), Bonn 1998, S. 75. 12 ebd. 13 ebd., S. 76. 14 ebd., S. 77.
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