SYSTEM
“Die Schule der DDR ist die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule. Sie wird … [vom 1. Schuljahr] bis
zum 10. Schuljahr besucht. Der Unterricht wird nach staatlichen Lehrplänen durchgeführt. …
Zum mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht gehören Mathematik, Physik, Chemie und Biologie, zum gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht Geschichte, Staatsbürgerkunde, Geographie, Musik und Kunsterziehung. Das
Fach Deutsche Sprache und Literatur gliedert sich in den Muttersprachen- und Literaturunterricht.
Im Fremdsprachenunterricht lernen die Schüler Russisch [ab der 5. Klasse] sowie von der 7. Klasse an wahlweise eine zweite Fremdsprache, meist Englisch oder Französisch.
Zum polytechnischen Unterricht gehören der Werkunterricht, Schulgartenunterricht sowie ab Klasse 7 der Unterrichtstag in der
Produktion [in einem Betrieb] mit den Fächern Einführung in die sozialistische Produktion [ESP], produktive Arbeit [PA] und technisches Zeichnen [TZ].”1
Darüber hinaus wurde zum 1.9.1978 das Pflichtfach “sozialistische Wehrerziehung” eingeführt.2
“Schüler mit besonderen Interessen, Talenten und besonderem Fleiß können bereits vor dem Abschluß der … Oberschule in
eine Spezialschule oder Spezialklasse aufgenommen werden. …
Wer einen Beruf ergreifen will, der das Hochschulstudium erfordert, kann bei entsprechenden Leistungen und vorbildlichem
Verhalten die erweiterte Oberschule besuchen. Sie führt bis zur 12. Klasse und schließt mit dem Abitur ab. Danach beginnen die Schüler mit dem Studium an einer Universität oder Hochschule. …”3
Die Möglichkeit, eine Spezialschule, die Erweiterte Oberschule oder sogar die Universität/ Hochschule zu
besuchen, war stark eingeschränkt. Neben besonders guten schulischen Leistungen - das Schulzeugnis durfte (fast) nur Einsen aufweisen - war der
‘gesellschaftliche Beitrag’, den man leistete, entscheidend. Dazu zählten die Mitarbeit in den Pionier-, Gruppen-
oder FDJ-Räten. Darüber hinaus mußte die politische Gesinnung ‘korrekt’ sein. Aber auch die gehobene Stellung der Eltern in Beruf und Gesellschaft konnte Türen öffnen.
Dennoch war, selbst bei Erfüllung aller Voraussetzungen, die Delegierung des Schülers durch die Schulleitung der einzige Weg, an einer Spezialschule oder Erweiterten Oberschule aufgenommen zu werden. Der Wille der
Eltern, dem Kind die bestmögliche Bildung zukommen zu lassen, war zwar löblich, aber nicht entscheidend. Im Vergleich zu heutigen bundesdeutschen Verhältnissen war die Zahl der zu Abitur und Studium zugelassenen
Personen höchstwahrscheinlich wesentlich niedriger. Aufgrund der strengen Zulassungsreglements und des straff durchorganisierten Unterrichts- und Studienablaufes boten sich den Schülern/ Studenten gute
Ausbildungsbedingungen (Vorhandensein ausreichender Kapazitäten bezüglich der Räumlichkeiten, des Lehrmaterials und der Anzahl an Dozenten). Diese guten Bedingungen hatten jedoch ihren Preis. Denn nur wer
sich konform und den Richtlinien des Staates getreu verhielt, hatte überhaupt die Möglichkeit eine gute Ausbildung zu erhalten. Ob sie dann wunschgemäß oder den Neigungen entsprechend war, darf bezweifelt werden.
Dem Studium ging zumeist eine Berufsausbildung voraus. Dies entsprach dem Gesellschaftsideal des Sozialismus. Der Schicht der Intelligenz stets mit
Mißtrauen begegnend, sollte der universal gebildete Arbeiter (und Bauer) gemäß der Vorstellung vom “Arbeiter- und Bauernstaat” die geistige Elite stellen und
damit seiner Funktion als machtausübende Klasse entsprechen.
Der Unterricht erfolgte an sechs Tagen pro Woche, von Montag bis Samstag. Der Samstag-Unterricht wurde erst in der Wende-Zeit (1989/90) auf vielfachen
Schüler-Protest im Einvernehmen mit der jeweiligen Schulleitung und schließlich im Zuge der Angleichung des Unterrichts an das bundesdeutsche System abgeschafft.
Enge Zusammenarbeit von Eltern und Klassenlehrer
Das Elternaktiv bestand aus einigen Eltern von Schülern einer Klasse, die im Pionier-, Gruppen- oder FDJ-Rat die Klasse vertraten. Seine wichtigste Aufgabe
war es, Veranstaltungen (z.B. Pioniernachmittage, Klassenfahrten) zu organisieren. Das Elternaktiv traf sich ein Mal im Monat, meist bei einer Familie zu
Hause. Dadurch konnte der teilnehmende Klassenlehrer einen Einblick in das soziale Umfeld eines Schülers erlangen.
Der Klassenlehrer lud mehrmals im Jahr alle Eltern zu Elternversammlungen in die Schule ein. Er besprach mit den Eltern Beschlüsse und neue Aufgaben des
Elternaktivs und diskutierte ausführlich die Probleme der Schüler. Traten akute Probleme (drastisches Absinken der schulischen Leistungen oder
Schwierigkeiten im Umgang mit Mitschülern) bei einem Schüler auf, besuchte der Klassenlehrer die Familie, um in einem intensiven Gespräch Ursachen und Lösungsideen für die Probleme zu erörtern.
Schul- und Klassenveranstaltungen
Die zehnklassige Oberschule ermöglichte einen engen Zusammenhalt der Mitschüler. Der Umgang miteinander war vertraut und sollte, gefördert durch ein von der Schule vermitteltes Solidaritätsbewußtsein, verantwortungsvoll
sein: Beispielsweise wurden in den Klassen (auf Anweisung des Lehrers) Partnerschaften vereinbart, die darin bestanden, daß ein leistungsstarker Schüler jede Woche mit einem leistungsschwachen Klassenkameraden den
Unterrichtsstoff wiederholte. Der Zusammenhalt der Klasse wurde aber auch durch vielseitige gemeinsame Veranstaltungen erreicht.
So feierten die Klassen z.B. Fasching oder Julklapp (Weihnachtsfeier, zu der jeder Schüler einem anderen, zuvor per Los gezogenen, Mitschüler anonym etwas schenkt), veranstalteten Themennachmittage, an denen man z.B.
Bücher mit Autoren besprach oder Einblick in das Leben anderer (sozialistischer) Länder erhielt. Einige dieser
Aktivitäten klingen auch für westliche Verhältnisse durchaus normal. Hier wich der Alltag der ostdeutschen Kinder nicht so sehr von dem der westdeutschen Kinder ab. Diese Aufnahme hätte man auch so in einer
westdeutschen Klasse machen können. Bei anderen Fotos hingegen kann man durchaus erkennen, wo sie entstanden.
Sportnachmittage wurden veranstaltet, an denen alle Klassen teilnahmen und gegeneinander antraten. Darüber
hinaus fanden Veranstaltungen statt, die die Kinder auf ihr zukünftiges Berufsleben vorbereiteten oder auf Probleme in den Bereichen Politik und Umwelt aufmerksam machten: Eltern stellten ihre Berufe vor, und man
besichtigte Betriebe.
Zudem fanden ‘Solidaritätsaktionen’ statt: Die Kinder spendeten Geld an Hilfsorganisationen, das sie beim
Verkauf von selbstgebackenem Kuchen und belegten Brötchen in der Schule einnahmen.
Bei SERO-Sammelaktionen (Sekundärro
hstoffe) traten alle Klassen in einen Wettstreit im Sammeln von Altstoffen. Die Schüler brachten Flaschen, Gläser, Spraydosen, Kronverschlüsse, Korken und Papier von
zu Hause mit und erbaten sie von Bewohnern der schulnahen Häuser. Doch nicht nur bei dieser Aktion wurde gesammelt: Jeder Schüler hatte ein Mindestsoll pro Halbjahr an Altstoffen in der Schule abzugeben.
Ein Mal pro Schuljahr ging jede Klasse auf Wandertag.
Klassenfahrten wurden in größeren Abständen unternommen.
Letztlich konnten jedoch die Aktivitäten von Schule zu Schule variieren. Nicht an jeder Schule wurden
somit die gleichen bzw. genauso viele Veranstaltungen ausgerichtet. Es gab durchaus Schulen, an denen die Jugendorganisationen weniger aktiv waren und die Schüler einen ungezwungeren Schulalltag erlebten.
Fußnoten:
1 Artikel: Schule, in: Bellack, Siegrid/ Dölling, Edeltraud/ Eckart, Hans (Autorenkollektiv), Von Anton bis Zylinder - Das Lexikon für Kinder, 12. Aufl., 1986, S. 340ff.
2 ebd. 3 Enzyklopädie der DDR (Digitale Bibliothek; Bd. 32), Berlin 2000, S. 1989, s.v. “Einheitliches sozialistisches Bildungssystem”.
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