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Mauerbau
Bernauer Straße
Darstellungen

Bei den nachfolgenden Texten handelt es sich nicht um objektiv-wissenschaftliche Darstellungen der Ereignisse am 13. August 1961. Die Texte sind sowohl ost- als auch westdeutschen Schulbüchern, Zeitungen und anderen Medien entnommen. Sie reflektieren unterschiedliche Standpunkte und sind daher kritisch zu lesen. Dem Leser eröffnet sich anhand der Texte die Möglichkeit eines selbständigen Vergleiches von Ideologien und  Argumentationsstrukturen.

 

DDR-MEDIEN

 

HINWEIS: Beim nachfolgenden Text handelt es sich um Auszüge aus der Broschüre “Warum Mauer - Wie lange Mauer?”, die vermutlich in der 2. Hälfte der 1960er Jahre veröffentlicht wurde und den Mauerbau vom 13. August 1961 rechtfertigen sollte. Die fettgedruckten Passagen sind laut Angabe in der Broschüre “Reden und Ansprachen auf dem VI. Parteitag der SED, auf der XVII. Deutschen Arbeiterkonferenz in Leipzig, im Deutschen Fernsehfunk und auf dem Festakt zum 15. Jahrestag der Gründung der DDR entnommen.”

Warum Mauer?

Das ging der Errichtung unseres Schutzwalles am 13. August 1961 unmittelbar voraus:
Am 11. Juli 1961 verkündete die Parteiführung der CDU/ CSU in einem sogenannten Grundsatzprogramm: “Wir halten in Übereinstimmung mit dem Deutschlandvertrag daran fest, in Zusammenarbeit mit unseren Verbündeten ein wiedervereinigtes Deutschland zu schaffen, das in die europäische Gemeinschaft integriert ist.” In die “europäische Gemeinschaft integrieren” heißt aber nichts anderes, als die DDR in die NATO-Politik einzugliedern. Da ein solches Vorhaben den Interessen der DDR in keiner Weise entspricht, bedeutet das Programm der Bonner Regierungspartei: die gewaltsame Unterwerfung der DDR, ihre “Einverleibung” nach dem Muster der Hitlerschen “Heim ins Reich”-Praktiken.

Ein militärpolitischer Vertrauensmann der CDU/ CSU-Führung, Hans Edgar Jahn, hatte die gleiche Linie übrigens bereits im Mai-Heft 1961 der NATO-Zeitschrift “Revue militaire générale” verfochten: “Der kalte Krieg mit den vielfältigen Mitteln der Infiltration, der Subversion und des revolutionären Staatsumsturzes wird in absehbarer Zeit seine weitere Verschärfung finden.”

Alfons Dalma, ein persönlicher Freund von Franz Josef Strauß, wurde am 24. Juni noch deutlicher. Im Münchner “Merkur” forderte er, daß in der DDR “eine Explosion” herbeigeführt werden müsse. Hierzu bedürfe es “entsprechender Vorbereitungen des Westens... Was die Lage erfordert, ist eine (west)deutsche Initiative. Nicht aber im Sinn jener vagen Forderungen nach Verhandlungsvorschlägen.”

Zwei Wochen darauf veröffentlichte der von westdeutschen Monopolen ausgehaltene “Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung” ein detailliertes Programm zur “Einführung marktwirtschaftlicher Verhältnisse” in der DDR, das heißt zur Wiedereroberung der hier enteigneten Betriebe von Kriegsverbrechern und Naziaktivisten wie Flick, Quandt, Röchling u.a.

Wie dieser Raubzug inszeniert werden solle, erläuterte am 9. Juli der Adenauer-Intimus Robert Ingrim in der “Bonner Rundschau”: “... daß sich die freie Welt instand setzen müsse, alle Mittel des Krieges, des Nervenkrieges und des Schießkrieges, anzuwenden. Dazu gehören nicht nur die herkömmlichen Streikräfte und Rüstungen, sondern auch die Unterwühlung, das Anheizen des inneren Widerstandes, die Arbeit im Untergrund, die Zersetzung der Ordnung, die Sabotage, die Störung von Verkehr und Wirtschaft, der Ungehorsam, der Aufruhr...”

Besorgt stellte deshalb Jens Daniel am 12. Juli im “Spiegel” fest, daß von seiten der Bonner Militaristen unmittelbar “eine gewaltsame Revision” der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges droht.

Das war kein Hirngespinst. Den Worten sollten Taten folgen.

Wie Hitler und Goebbels vor dem 1. September 1939 gegen Polen, verstärkten die Bonner Abenteurer die Hetze gegen die DDR, mobilisierten sie ihre 5. Kolonnen in den Agentenzentralen und organisierten sie den Menschenhandel.

Für den Übergang vom kalten zum heißen Krieg meldete Hitlers Aggressionsplaner, NATO-General Heusinger, am 28. Juni 1961, daß sieben westdeutsche Divisionen bereitständen, “unverzüglich jede Operation durchzuführen”.

Am 3. Juni befahl der Befehlshaber der US-Streikräfte in Europa, sich “aufs äußerste vorzubereiten”.

Am 10. August stellte Nazigeneral Speidel, Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte in Mitteleuropa, bei einer Inspektionsreise entlang der Staatsgrenze der DDR vor der Öffentlichkeit fest, daß die “NATO in diesem Raum gerüstet” sei.

DAS SIND DIE UNBESTREITBAREN TATSACHEN.

Da schlug es dreizehn

“Wir mußten im Interesse der Erhaltung des Friedens diesem Bestreben einen Riegel vorschieben. Wir haben einen ganz massiven Riegel vorgeschoben.”

Dieser Riegel waren die bekannten Schutzmaßnahmen vom 13. August 1961, die wir gemeinsam mit allen Partnerstaaten des Warschauer Vertrages einleiteten. Welche gefährlichen Illusionen damit zunichte gemacht wurden, enthüllt das Eingeständnis, das die Zeitung der westdeutschen Großunternehmer “Industriekurier” 19 Tage nach dem 13. August veröffentlichte: “Eine Wiedervereinigung mit siegreichem Einzug der Bundeswehr durchs Brandenburger Tor unter klingendem Spiel - eine solche Wiedervereinigung wird es auf absehbare Zeit nicht geben.”

Lesen Sie das bitte dreimal. Was wäre geschehen, wenn wir und die mit uns verbündeten Staaten des Warschauer Vertrages solchen Einmarschklängen keinen Riegel vorgeschoben hätten? Es hätte Krieg gegeben, und zwar einen atomaren Weltkrieg. Westdeutschland wäre darin binnen weniger Stunden wie eine Kerze verbrannt.

Die Maßnahmen des 13. August haben Europa und der Welt den Frieden erhalten. Denken Sie dran, wenn man Ihnen immer wieder einreden will: “Die Mauer muß weg.” Sie hat auch Ihnen das Leben gerettet.

Darum Mauer!

Der 13. August 1961 hat vor aller Welt das reale Kräfteverhältnis in Deutschland sichtbar gemacht.

“Diese Grenze, die zwar infolge der militärischen Aggressionsabsicht die Form einer Mauer annehmen mußte, soll keineswegs eine Kluft zwischen dem deutschen Volk, das in den beiden deutschen Staaten lebt, schaffen.

Es geht jetzt darum, die Existenz von zwei grundsätzlich verschiedenen Gesellschaftsordnungen in Deutschland zur Kenntnis zu nehmen und normale Beziehungen der friedlichen Koexistenz zwischen beiden deutschen Staaten herzustellen.

Man muß zur Kenntnis nehmen, daß in einem Teil Deutschlands die Arbeiterklasse im Bündnis mit den Bauern, mit der Intelliguenz und anderen werktätigen Schicht[en] herrscht und daß im westlichen Teil Deutschlands das Monopolkapital und die Militaristen herrschen. Das sind die Tatsachen, die sich entwickelt haben. Und von der Erkenntnis dieser Tatsachen muß man ausgehen.

Das Geschrei gewisser Bonner Poilitiker gegen die Mauer beweist doch nur ihren Ärger darüber, daß ihnen der Weg versperrt ist, daß ihre Revanchepläne zum Scheitern verurteilt sind. Die Sicherung der Grenze der Deutschen Demokratischen Republik dient also der Sicherung des Friedens und der Bändigung des deutschen Militarismus. Damit hilft sie auch, die westdeutsche Bevölkerung vor den Kriegsabenteuern ihrer Militaristen zu bewahren. Sie zwingt die herrschenden Kreise, darüber nachzudenken, welches Risiko sie eingingen, würden sie ein Kriegsabenteuer beginnen.

Dieselben Kräfte des Militarismus, die heute Krokodilstränen über getrennte Familien vergießen, haben in zwei Weltkriegen in Millionen und aber Millionen Fällen deutsche Familien für immer und für alle Ewigkeit zerrissen. Das ist die Wahrheit!

Sie haben den Mann von der Ehefrau, den Vater von den Kindern, den Sohn von den Eltern gerissen und schließlich ganze Familien brutal getrennt, denn die Massengräber der beiden Weltkriege geben ihre Opfer nie wieder her. Das ist die ganze Wahrheit. Und diesmal wollen wir, daß nicht wieder von deutschem Boden aus ein Krieg geführt werden kann. Um zu verhindern, daß noch einmal diese unmenschliche Vernichtung und Zerreißung Millionen deutscher Familien erfolgt, haben wir unsere Maßnahmen zur Sicherung der Grenze der Deutschen Demokratischen Republik getroffen.

Selbstverständlich, gewisse führende Kreise in Westdeutschland haben ihre Villen schon an der Riviera bzw. in Spanien bauen lassen. Sie haben ihre Sicherungsbasis geschaffen. Aber das Volk muß im Krieg zahlen. Unsere Plicht ist es, das friedliche Leben des Volkes zu sichern. Das ist die Aufgabe, die wir haben.”

HINWEIS: Der nachfolgende Text ist einem chonologischen Nachschlagewerk der DDR entnommen. (Ausgabe 1967)1

Durch die Grenzsicherungsmaßnahmen der Regierung der DDR werden auch die wirtschaftlichen Störversuche der Bundesregierung und der westdeutschen Monopole weitgehend unterbunden. Unter Ausnutzung der bis dahin offenen Grenze zwischen Westberlin und der DDR und eines künstlich erzeugten Währungsgefälles zur DM/ DN war versucht worden, mittels der Abwerbung von Arbeitskräften die Wirtschaft der DDR zu untergraben. Die Einhaltung der Arbeitsdisziplin, der Normen und das Leistungsprinzip wurden dadurch gestört. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität blieb zurück, während sich der Lohnfonds schneller erhöhte. Das Mißverhältnis zwischen diesen beiden wirtschaftlich bedeutenden Proportionen hatte den Entzug von notwendigen Mitteln für die erforderlichen Investitionen zur Folge. Seit der Abspaltung der Westzonen gelang es den westdeutschen reaktionären Kreisen unter Ausnutzung der offenen Grenze nach Westberlin, der DDR einen Verlust von etwa 120 Md. DM zuzufügen, wodurch vor allem die Akkumulationskraft der Wirtschaft vermindert wurde. Die Grenzsicherungsmaßnahmen schaffen wesentliche Voraussetzungen, daß die ökonomischen Gesetze des Sozialismus ungehindert wirken, daß sich die sozialistische Wirtschaft störungsfei entwickeln und die entstandenen Verluste allmählich ausgeglichen werden können.

 

HINWEIS: Nachfolgender Text und Bild sind dem Lehrbuch für das Fach Staatsbürgerkunde der Klasse 8 entnommen. (Ausgabe 1984)2

Ein zweiter Versuch, des Weltimperialismus, über die DDR in das sozialistische Weltsystem einzudringen, wurde durch die Sicherheitsmaßnahmen vom 13. August 1961 vereitelt. Die NATO hatte detaillierte Pläne für einen Überfall auf die DDR aufgestellt. In einem Blitzkrieg sollte die DDR überrollt werden, nachdem aus Westberlin eingeschleuste Konterrevolutionäre einen Putsch organisiert und eine “neue Regierung” ausgerufen hätten. Diese “neue Regierung” sollte einen “Hilferuf” an die Westmächte zur “Befreiung” senden, und diesen “Hilferuf” wollten die Imperialisten “beantworten”. Bei einem möglichen und zu erwartenden Eingreifen der Armeen des Warschauer Vertrages sollten diese der Aggression bezichtigt werden, da sie gegen den Willen der “neuen Regierung” handeln würden. Ein System von internationalen Ächtungsmaßnahmen sollte in Kraft treten, Wirtschafsboykotte, diplomatische Blockaden. Selbst ein Weltkrieg war eingeplant. 1960/ 61 stand die Welt vor einem neuen Krieg.

Die sozialistischen Länder konnten detaillierte Kenntnis von diesen Absichten und Plänen erlangen. Streng geheim bereiteten sie die erforderlichen Gegenmaßnahmen vor. In der Nacht vom 12. zum 13. August begann die Aktion, die die Imperialisten in der ganzen Welt überraschte und ernüchterte. Sie, die in den letzten Wochen und Monaten fieberhaft den Überfall auf die DDR vorbereitet hatten, erfuhren durch das Telefon, die Zeitungen oder den Funk: Die DDR hat die Staatsgrenze zu Westberlin geschlossen und ist dabei, sie fest und undurchlässig zu machen. Außerdem standen die Truppen aller Mitgliedsstaaten des Warschauer Vertrages bereit, den Sozialismus gegen jeden Aggressor zu verteidigen.

Damit wurde der Frieden in Europa gerettet.

Die Soldaten der Nationalen Volksarmee der DDR und die Angehörigen der Volkspolizei wurden durch die Kampfgruppen der Arbeiterklasse unterstützt. Unmittelbar nach dem 13. August 1961 entstanden in der DDR zwei große Massenbewegungen: Im Produktionsaufgebot wurde um höchste Leistungen gerungen, um die Auswirkungen des von den Imperialisten sofort verhängten wirtschaftlichen Boykotts in Grenzen zu halten. Das FDJ-Aufgebot hatte zum Ziel, viele Freiwillige für die NVA zu gewinnen, um den Sozialismus sicher und wirkungsvoll zu schützen.

 

“Genossen der Volksarmee, der Kampfgruppen und der Volkspolizei
an der Staatsgrenze zu Westberlin (August 1961)”

HINWEIS: Beim nachfolgenden Text handelt es sich um einen Auszug eines Artikels in der DDR-Zeitschrift “Das Magazin”.3 Er erschien am 13. August 1981, anläßlich des 20. Jahrestages des Mauerbaus. Der Text wird als Tatsachenbericht deklariert. Wenngleich der Text Informationen über den Hergang der Ereignisse liefert, ist er dennoch mit einer stark ideologischen Argumentation durchsetzt. Der sogenannte Tatsachen”bericht” diente der Legitimierung des Mauerbaus.

 

KEIN TAG WIE ANDERE

Tatsachenbericht von Dr. Hartmut Mehls

Westberlin hat eine Grenze zur DDR von 164 Kilometer Länge. Die 44,75 Kilometer zur Hauptstadt der DDR bildeten bis zum 13. August 1961 die eigentliche offene Grenze zur sozialistischen Staatengemeinschaft. Sie verlief auf unübersichtlichem Gelände, inmitten von Straßen und Häuserblocks, von Laubenkolonien und Kanälen und sogar mitten in der Spree. Im Stadtinnern kam es vor, daß das Haus zur Hauptstadt der DDR und der Bürgersteig zu Westberlin gehörte.
So konnte man beispielsweise von der Brunnenstraße durch einige Keller unbemerkt die Hauptstadt der DDR betreten oder verlassen.

Bis 1961 hatten sich etwa 80 verschiedene Geheimdienste in Westberlin niedergelassen. Von Westberlin aus wurden Spione, Agenten und Saboteure in die DDR und die anderen sozialistischen Staaten geschleust.

Neben der Agenten- und Sabotagetätigkeit von Westberlin aus sowie der Zuspitzung der ideologischen Diversion spielten die verschiedenen Formen der wirtschaftlichen Ausplünderung der DDR eine große Rolle. Die Hauptform bildete die Abwerbung von Fachkräften. Besonders gefragt waren Ärzte, Facharbeiter, Ingenieure und Techniker.

Am 13. August 1961 waren etwa 60.000 Grenzgänger aus der Hauptstadt der DDR und den Randgebieten Berlins in Westberlin fest angestellt. Sie besaßen zum Teil eine hohe fachliche Qualifikation. Ganze Wirtschaftszweige Westberlins profitierten von den Grenzgängern: Beispielsweise kamen 16 Prozent aller männlichen Arbeitskräfte im Wirtschaftszweig Stahl- und Eisenbau, 13 Prozent aller weiblichen Arbeitskräfte im Wirtschaftszweig Schneiderei und Näherei aus der Hauptstadt der DDR und den Randgebieten.

Die offene Grenze und der Wechselkurs begünstigten einen ausgedehnten Warenschmuggel mit Lebensmitteln und hochwertigen Industriewaren; sie förderten den Raub von Patenten und Rezepturen sowie den Diebstahl von wichtigen und seltenen Rohstoffen.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Direktor des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, Professor Fritz Baade, errechnete im Jahre 1965, daß die BRD der DDR eine Summe von über 100 Milliarden Mark schuldet. Er faßte zusammen: “In gewissem Maße ist unser Wohlstand eine Folge der Diskriminierung der DDR.”

Sonnabend, den 12. August 1961.
Die Betriebsleitung der Berliner Verkehrsbetriebe hat in das Kulturhaus nach Niederschönhausen eingeladen. Man stößt auf ein Jubiläum an.
“Wißt ihr noch...”, beginnt an einem Ecktisch nahe am Eingang ein Elektromonteur seine Geschichte. Er erzählt, wie Direktor Wilhelm Knapp im Beisein eines stellvertretenden Ministers und anderer prominenter Gäste vor zehn Jahren bei der Einweihung der Linie Robert-Koch-Platz – Ostbahnhof eine lange Rede halten mußte , damit die Monteure noch letzte Hand anlegen konnten. “Stellt euch die Blamage vor, wenn dem Wilhelm die Worte ausgegangen wären!”
Kurz nach Mitternacht. Ein Mann betritt den recht lauten Saal, sieht sich suchend um, steuert dann auf Heinz Parschau, Direktor für Verkehr, zu, zupft ihn am Ärmel und flüstert: “Komm mit – aber bitte so unauffällig wie möglich.” Die beiden schlendern zum Ausgang. Heinz Parschau fängt die letzte Worte der alten Geschichte auf, hat das herzhafte Lachen noch in den Ohren, als er in das mit laufendem Motor wartende Auto steigt. Gerne hätte er mitgelacht, aber angesichts der geheimnisvollen Fahrt durch das nächtliche Berlin drängen sich ihm weniger heitere Episoden auf. Erst vor kurzem mußte er zahlreiche Aktenbände über die Zeit der Spaltung der BVG [Anm: Berliner Verkehrsgesellschaft] durchsehen. Im Jahre 1948 begannen der Stadtrat für Verkehr und öffentliche Betriebe Ernst Reuter und seine Freunde von den Westsektoren Berlins aus, ein Verkehrschaos in unserem Berlin zu organisieren. Sie sorgten dafür, daß nur wenige und in schlechtem Zustand befindliche U-Bahnzüge, Straßenbahnen und Omnibusse bei uns verblieben, höhnten: “In vierzehn Tagen holen wir den Schrott bei euch ab!” Bekanntlich ging ihre Rechnung nicht auf, aus unserer BVG wurde ein moderner Verkehrsbetrieb. Um jede Sabotage in der BVG (heute: Berliner Verkehrsbetriebe, BVB) zu verhindern, entstand in den Jahren 1950/52 ein Plan zur Unterbindung der Störmöglichkeiten von Westberlin aus. Und diesen Plan hatte Heinz Parschau unlängst mit anderen überprüft.
Während der schnellen Fahrt fällt kein Wort. Die Straßen sind leer. Doch als sie am Polizeipräsidium vorbeifahren, fällt ihnen reges Kommen und Gehen auf. Sie halten in der Französischen Straße vor dem Sitz des Ministers für Verkehrswesen. Die letzten Spuren angeheiterter Feierstimmung sind wie weggeblasen, als Heinz Parschau im Zimmer von Minister Erwin Kramer steht. Er kennt alle, die schon da sind oder eilig hinzukommen: Genossen aus dem Ministerium für Verkehrswesen, dem Zentralkomitee der SED, dem Magistrat der Hauptstadt und der Reichsbahndirektion Berlin.
Minister Kramer informiert: Nach Konsultationen zwischen führenden Vertretern der DDR und der UdSSR sowie Beratungen im obersten Gremium der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages Anfang August 1961 haben sich die Regierungen des Verteidigungsbündnisses an die Volkskammer und an die Regierung der DDR, an alle Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik mit dem Vorschlag gewandt, “an der Westberliner Grenze eine solche Ordnung einzuführen, durch die der Wühltätigkeit gegen die Länder des sozialistischen Lagers zuverlässig der Weg verlegt und rings um das ganze Gebiet Westberlins, einschließlich seiner Grenze mit dem Demokratischen Berlin, eine verläßliche Bewachung und eine wirksame Kontrolle gewährleistet wird”.
Parallel zur Zusammenkunft im Verkehrsministerium erfolgt die Alarmierung der bewaffneten Kräfte der DDR und der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland sowie der Kampfgruppen, die die Grenze zu Westberlin unter Kontrolle nehmen.
Die Deutsche Reichbahn und die Berliner Verkehrsbetriebe erhalten die Weisung, den Verkehr mit Westberlin zu unterbrechen und neu zu organisieren. Für die Deutsche Reichsbahn ordnet Minister Kramer an: Die Züge im internationalen Fernverkehr behalten die bisher gültigen Fahrpläne bei. Sie beginnen und enden aber auf dem Bahnhof Friedrichstraße. Der direkte S-Bahn-Verkehr zwischen der DDR und Westberlin wird eingestellt und für beide Seiten neu organisiert. Das bedeutet: Fünf Strecken zwischen der Hauptstadt der DDR und Berlin (West) und weitere zwischen Westberlin und anderen Orten der DDR, wie zum Beispiel Oranienburg oder Potsdam, werden unterbrochen; auf fünf Strecken wird Pendelverkehr eingerichtet; acht S-Bahnhöfe werden ganz oder teilweise für den öffentlichen Verkehr geschlossen. Der Berufsschnellverkehr der nördlich, westlich und südlich von Westberlin gelegenen Kreise des Bezirks Potsdam mit der Hauptstadt wird verstärkt.
Auch für den U-Bahn-Verkehr erteilt der Minister neue Weisungen. Zwei Linien passieren die Haupstadt der DDR ohne Halt (beziehungsweise nur mit Halt auf dem Bahnhof Friedrichstraße). Vierzehn Bahnhöfe werden ganz oder teilweise für den öffentlichen Verkehr geschlossen. Der Einsatz von Omnibussen oder Straßenbahnen ist zu verstärken. Als Ersatz oder zur Entlastung von S- und U-Bahnstrecken sind neue Autobuslinien einzurichten.
Während Heinz Parschau den Ausführungen des Ministers folgt, überkommt ihn angesichts der Größe und der Kompliziertheit des Auftrages ein Gefühl der Sorge. Einerseits ist ein Sonntag im August für ein solches Unternehmen ausgezeichnet gewählt. Es gibt keinen nennenswerten Berufsverkehr. Die Berliner fahren erst nach einem geruhsamen Frühstück im Laufe des Vormittags ins Grüne; auch die etwa sechzigtausend Bürger, die in der DDR leben und in Westberlin ihr Geld machen, um es dann 1:4 umzutauschen, bleiben sonntags größtenteils zu Hause. Andererseits herrscht in den Dienststellen des Verkehrswesens Sonntags- und Urlaubsruhe. Und der Auftrag verlangt den persönlichen Einsatz jedes einzelnen. Heinz Parschau denkt an die Feier in Niederschönhausen und muß sich zusammennehmen, um nicht laut aufzustöhnen.
Nach weniger als dreißig Minuten schließt Minister Kramer die Zusammenkunft. Die Anwesenden eilen zu den wartenden Autos. Auf der Fahrt zu ihren Dienststellen überlegen sie die einzuleitenden Schritte.
Die S-Bahn aus Staaken hält um 1 Uhr 10 in Spandau. Die Passagiere werden aufgefordert, den Zug zu verlassen. Er wird in die DDR zurückgeführt. Gleiches geschieht in den nächsten Stunden mit allen S-Bahnzügen in Westberlin. Die Deutsche Reichsbahn beginnt, den S-Bahn-Verkehr für Westberlin und die Hauptstadt der DDR getrennt zu organisieren. Um 6 Uhr liegt der neue Fahrplan vor. Während die Umstellung im allgemeinen zügig und reibungslos erfolgt, kommt es auf dem S-Bahnhof Friedrichstraße zu Komplikationen. Diesen Bahnhof hatten täglich 285 Züge mit etwa 50.000 Fahrgästen aus Westberlin passiert. Nun ist er über Nacht vom Durchgangsbahnhof zum Endpunkt der Strecken aus östlicher und westlicher Richtung geworden. Um den reibungslosen und unfallfreien Verkehr in Richtung Alexanderplatz zu gewährleisten, muß eine Weiche eingebaut werden. Reisende nach Westberlin – unter ihnen auch solche Bürger, die die DDR verlassen wollen – stauen sich auf dem Bahnhof Friedrichstraße. Die Weiterfahrt ist versperrt, der Rücktransport läuft schleppend an. Um 6 Uhr sind 300 Personen auf dem Bahnhof. Ihre Zahl wächst ständig. Bald sind es 1.000. Der Bahnhof Friedrichstraße wird zum neuralgischen Punkt. Minister Kramer läßt sich laufend berichten und erteilt Anweisungen. Die Berliner Verkehrsbetriebe schicken Busse. Die Volkspolizei verstärkt ihre Kräfte. Agitatorengruppen der SED sprechen mit den Menschen und erklären ihnen die Situation. Langsam löst sich die Ansammlung auf. Um 13 Uhr ist die neue Weiche eingebaut, und der S-Bahnbetrieb läuft reibungslos.
In der Hauptverwaltung der Berliner Verkehrsbetriebe eingetroffen, läßt Heinz Parschau alle Bereitschaftsdienste und verantwortlichen Betriebsfunktionäre alarmieren. Erich Malik, verantwortlich für die U-Bahn, wird kurz nach 1 Uhr von der Wasserschutzpolizei auf der Rohrwallinsel geweckt, wo er angelnd das Wochenende verbringen wollte. Bereits zwischen 3 Uhr 15 und 3 Uhr 30 setzen sich die Bautrupps in Marsch. Ihr Auftrag lautet, die U-Bahnverbindungen nach Westberlin durch Herausnahme von Gleisstücken zu unterbrechen . Nach 75 Minuten sind die Arbeiten abgeschlossen. Ab 5 Uhr 34 läuft der U-Bahn-Verkehr entsprechend den Weisungen von Minister Kramer.
Nicht weniger kompliziert und noch umfangreicher sind die Umstellungen im Omnibus- und Straßenbahnverkehr. Erich Rieck, Heinz Scribane, Heinz Westphal und andere Mitarbeiter der Verkehrsleistung der BVG stellen die neuen Fahrpläne auf und leiten die notwenigen Veränderungen ein, wobei sie nicht nur Fragen der Verkehrssicherheit und Pünktlichkeit beachten müssen, sondern auch die Mobilisierung von zusätzlichem Fahrpersonal und die Einweisung in die neuen Linienführungen. Durch den Rundfunk aufgerufen, melden sich in den Morgenstunden immer mehr Kollegen zu Sonderschichten. Beispielsweise beschließt die gesamte Frühschicht des Straßenbahnhofs Weißensee, nach Dienstschluß im Betrieb zu bleiben.
Die BVG nimmt an zehn Straßenbahnlinien Veränderungen vor, setzt mehr Bahnen und Omnibusse ein. Im Bereich des Busverkehrs richtet sie zwei Linien neu ein und verstärkt fünf weitere. Die Zahl der Fahrer und der Busse reicht nicht aus. Die Bezirke Dresden, Frankfurt (Oder), Halle und Leipzig stellen insgesamt fünfzig Fahrer und fünf Schaffner mit 25 Bussen zur Verfügung. Parallel zum Abbruch des U-Bahn-Verkehrs mit Westberlin und der Umorganisierung des Pesonenverkehrs in der Hauptstadt der DDR ruft die Leitung der BVG alle Angehörigen des Betriebes zur erhöhten Wachsamkeit auf. Es muß damit gerechnet werden, daß der Gegner die Sicherungsmaßnahmen zum Anlaß nehmen wird, um Sabotageakte durchzuführen und die Bevölkerung aufzuputschen. “Ab sofort ist für alle Betriebswachen der BVG erhöhte Alarmbereitschaft... Auf allen U-Bahn-Dienststellen sind die Kontrollen verstärkt und gewissenhaft durchzuführen. Die Grenzbahnhöfe sind zu besetzen. Die Notausstiege sind laufend zu kontrollieren. Die Personen- und Fahrzeugkontrolle ist während der Alarmbereitschaft besonders gewissenhaft durchzuführen. Auf Gerüchte und Flugblätter ist besonders zu achten. Bei Streifen sind auf allen Dienststellen die Schwerpunkte ständig anzulaufen. Alle Feuerlöscheinrichtungen müssen in einsatzbereitem Zustand sein...”
Manches, was sich in der Nacht vom 12. zum 13. August abspielte, ist, rückschauend betrachtet, nicht ohne Komik. Bei Heinz Wendt, Stabschef der Kampfgruppe der BVG, klingelt das Telefon kurz nach 1 Uhr. Eine Stimme – untermalt von Geräuschen des Festes in Niederschönhausen – sagt: “Heinz, du mußt die Kampfgruppe mobilisieren! Die Grenze zu Westberlin wird dichtgemacht!” Heinz Wendt murmelt, ehe er den Hörer aufknallt, schlaftrunken: “Viel Spaß beim Feiern, aber laßt die dummen Witze!"Sofort klingelt es wieder, und Heinz Wendt wird aufgefordert: "“Leg ja nicht wieder auf.” Wenig später fährt Genosse Wendt zur Hauptverwaltung der BVG, um von dort den Einsatz der Kampfgruppe vorzubereiten.
Die Alarmierung der beiden Hundertschaften erfolgt zügig. Doch dann werden komplizierte Umstellungen notwendig. Zum Beispiel muß Erich Malik als Kommandeur einer Hundertschaft abgelöst und für die Leitung des U-Bahnbetriebes freigestellt werden. Andere Kämpfer werden für den Betriebsschutz, für den Fahrdienst und für die Organisation des Verkehrs dringend benötigt. Im Morgengrauen marschiert eine neu zusammengestellte Hundertschaft zum Einsatz. Sie hilft, die Grenze in der Innenstadt zu sichern. Der Hundertschaft gehört eine Nachrichtengruppe von acht Frauen an, die sich, durch Elfriede Quandt geführt, bei der Sicherung des Nachrichtennetzes der BVG auszeichnet. Außerdem stellt sie die Verbindung zwischen Hundertschaft und Betrieb her, um die Kämpfer bei dringendem Bedarf zum Einsatz im Verkehrswesen zurückrufen zu können.
Eine vorzeitige Rückreise in die Hauptstadt treten Mitarbeiter der Hauptverwaltung der BVG an, die am Wochenende in Tucheband bei Neubrandenburg der Paten-LPG bei der Ernte helfen wollten. Der Parteisekretär der Betriebsparteiorganisation der Hauptverwaltung, Hugo Matz, trägt die Verantwortung. Als die Gruppe von den Ereignissen der Nacht erfährt, kehrt sie sofort nach Berlin zurück und stellt sich vollzählig dem Betrieb zur Verfügung.
Bereits in den frühen Morgenstunden leiten die Betriebsparteiorganisationen der SED, die Direktion, BGL und FDJ-Leitungen eine zielgerichtet politisch-ideologische Diskussion unter den Angehörigen der BVG ein, um sie mit Argumenten auszurüsten. Denn einige Fahrgäste verwickeln die Kollegen der Straßen- und U-Bahnen sowie der Omnibusse in Diskussionen über die Sicherungsmaßnahmen. Vor allem in der Nähe der Staatsgrenze gehen diese nicht selten in direkte Provokationen über, um Emotionen gegen die Grenzsicherung zu wecken. Zur Unterstützung des Fahrpersonals entsendet die Leitung der BVG erfahrende Agitatoren an die Schwerpunkte. Ihnen stehen seit 5 Uhr morgens auf allen größeren Bahnhöfen Agitatorengruppen der SED, des FDGB sowie der FDJ zur Seite – auch in vielen Bussen und Straßenbahnen sind sie pausenlos im Einsatz. Diese Hilfe wirkt sich vor allem am Nachmittag aus, als der Gegner versucht, in der Hauptstadt der DDR die Initiative zu bekommen: Er propagiert Streiks und Grenzdurchbrüche, findet aber keine Massenbasis in der Bevölkerung. Die Gegner der Sicherungsmaßnahmen bleiben isoliert.
Die Angehörigen der BVG haben am 13. August alle ihnen gestellten Aufgaben gelöst. Die nächste Bewährungsprobe bringt der Berufsverkehr am 14. August. Es darf unter keinen Umständen zu Verkehrsstauungen kommen, denn die Produktion muß in allen Betrieben planmäßig anlaufen. Jedes Verkehrschaos hätte sich in den Betrieben ausgewirkt.
Am 15. August meldet die BVG: Der Verkehr in der Hauptstadt verläuft planmäßig; nur auf der Strecke zwischen Bergmann-Borsig, Schildow, Hohen Neuendorf gab es am 14. August im Frühberufsverkehr Schwierigkeiten, die in Schildow zu Wartezeiten bis zu 25 Minuten führten.
Auf die Frage, wie es möglich war, daß die Berliner Verkehrsgbetriebe ihre komplizierten Aufgaben so gut lösten, gibt es vor allem diese Anwort: Seit Wochen hatte die SED die Mehrheit der Bevölkerung in der Auffassung bestärkt, daß sich etwas verändern mußte. Die meisten Menschen waren bereit, Schritte gegen die Grenzgänger und den Menschenhandel, die ökonomische Ausplünderung und ideologische Diversion sowie gegen die Agententätigkeit zu unterstützen. Das bewußte und geschlossene Handeln von Zehntausenden am 13. August charakterisierte diese Haltung – gerade auch bei den vielen BVG-Angehörigen, die sich voll ihrem Betrieb zur Verfügung stellten.

HINWEIS: Der nachfolgende Text ist der DDR-Zeitschrift “Das Magazin” des Jahres 1967 entnommen.4 Der Artikel enthält Fotos, die an dieser Stelle weggelassen wurden.

“Die Prüfung”
Eine Episode aus dem DEFA-Film “Geschichten jener Nacht”

Das Mädchen Jutta hat eine schwere Prüfung zu bestehen. Kurz vor ihrem Abitur packt ihr Vater, der Geschichtslehrer, den sie liebt und verehrt, seine Koffer und verläßt zusammen mit der Mutter die Republik. Jutta verliert das Vertrauen ihrer Klassenkameraden. Ihr Verhältnis zu Robert, dem Freund, wird bitter getrübt. Durch die Tat ihrer Eltern scheint das Leben für sie allen Sinn verloren zu haben. Doch am Ende besteht sie diese Prüfung und auch ihr Abitur.
Die Geschichte des Mädchens Jutta ist eine der vier Episoden des DEFA-Films “Geschichten jener Nacht”, die Menschen und ihre Konflikte um die Zeit des 13. August 1961 schildern. Ullrich Thein inszenierte “Die Prüfung” nach dem Drehbuch von Erik Neutsch. Kameramann ist Hartwig Strobel.
Wir erleben bekannte Schauspieler wie Inge Keller und Horst Schulze als Juttas Eltern. Dieter Mann als ihren Freund Robert Wagner und Eberhard Esche als den arroganten Cousin aus Westberlin.
Ganz neu auf der Leinwand ist die junge Jenny Gröllmann in der Hauptrolle der Jutta. Sie gehört zum Ensemble des Berliner Maxim-Gorki -Theaters und gibt in der “Prüfung” ihr Filmdebüt. Ihre Rolle verlangte die Gestaltung eines von Konflikten hin- und hergerissenen achtzehnjährigen Mädchens, die ganze Skala seiner Gefühle: laute Fröhlichkeit, das Schweigen der Liebe, Widerwillen und Enttäuschung, tiefe Traurigkeit, Entsetzen und mühsam erlangtes Begreifen.
Obwohl die Handlung des Films erst sechs Jahre zurückliegt, hat sie für die junge Schauspielerin, die damals noch ein Kind war, schon historischen Charakter. Sich in die Jutta einzuleben und sie überzeugend darzustellen erforderte von ihr eine beachtliche schauspielerische Leistung.
Claus D. Schwarz fotografierte Jenny Gröllmann, Dieter Mann, Regisseur Ullrich Thein und die Kameraleute in den Babelsberger Ateliers bei den Dreharbeiten.

Text: Claus Wensloff

HINWEIS: Der nachstehende,  Textauszug ist der DDR-Zeitschrift “Der Deutsche Straßenverkehr - für Verkehr und Wirtschaft” aus dem Jahr 1961 entnommen.5 Die zugehörigen Abbildungen wurden im Folgenden weggelassen.

Die Republik hilft Berlin
Bei Kraftfahrern, die für eine gute Sache fahren

Als am 13. August die Maßnahmen unserer Regierung zum Schutz des Friedens bekannt wurden, haben viele, und nicht nur Berliner, gefragt: wie wird es mit dem Verkehr in der Hauptstadt werden. Der Gegner hoffte unverhohlen auf ein Verkehrschaos, nachdem es notwendig geworden war, den S-Bahn- und U-Bahnverkehr stellenweise zu unterbrechen. Er hatte nicht mit den Männern und Frauen aus den Kraftverkehrsbetrieben unserer Republik gerechnet. Sie waren zur Stelle, als es galt, Hilfe für Berlin zu leisten und die Republik zu sichern. Sie sollte man immer erwähnen, wenn vom 13. August gesprochen wird. Deshalb besuchte “Der Deutsche Straßenverkehr” Kraftfahrer und Schaffner aus allen Bezirken der DDR, die  - noch zwei Wochen nach dem schwarzen Sonntag für die Kriegstreiber - unermüdlich im Einsatz waren, um den Verkehr in der deutschen Hauptstadt zu bewältigen.

Am S-Bahnhof Hohen Neuendorf trafen wir Kollegen S c h u l z, Stützpunktleiter des VEB Kraftverkehr Postdam-Babelsberg.
”Sonntag, am 13. August, saßen wir hier im Stützpunkt bis 22 Uhr zusammen und stellten provisorische Fahrpläne auf. Mittags gegen 13 Uhr wurde ich gerufen. (Daß er gerade im Urlaub war, erfuhren wir später.) Das wichtigste war: Sicherung des Arbeiterberufsverkehrs. Zehn Dresdener Einsatzbusse vom Typ H 6 B übernahmen den Berufsverkehr für Bergmann-Borsig. Das klappte rasch.” Kollege Schulz erzählte mit einer Ruhe, als ob es die selbstverständlichste Sache der Welt wäre, von heute zu morgen für Tausende Fahrgäste die Beförderungsmittel zu wechseln. [...]

Für eine gute Sache

Über seine eigene Arbeit verlor kein einziger Kollege ein Wort, und dabei waren viele in diesen Tagen bis zu zwölf Stunden im Einsatz. Für private Dinge blieb nur wenig Zeit, und die Nacht wurde kurz. Keiner klagte, keiner murrte. Die Dresdener Kollegen erklärten ihre Bereitschaft, in Berlin zu helfen, so lange es erforderlich  ist, und  der  Merseburger  Fahrer
J e n t s c h berichtete davon, wie die Heimatbrigaden “Nationale Volksarmee” und “Ernst Thälmann” die Arbeit der in Berlin eingesetzten Kollegen mit übernahmen. [...]

Vorher arbeiteten sie “drüben”

Kopfschmerzen bereitete die Besetzung der Busse. Es fehlten etwa 20 Fahrer und 30 Schaffner allein im Bereich Stahnsdorf. Wie es denn mit den ehemaligen Grenzgängern wäre, fragten wir und hörten, daß bis zum 25. August elf beim Stützpunkt Stahnsorf Arbeit aufgenommen hatten. Seit dem 13. August habe es auch keine Fehltage mehr auf dem Konto einiger Bummelanten gegeben. Schaffner B u s k i e s, den wir in Hohen Neuendorf trafen, arbeitete auch “drüben”. Die Kollegen bescheinigten ihm seine Wende zum Guten. Mehrmals habe er, so erzählten sie, seine Mithilfe angeboten, wenn es Schwierigkeiten gab.
Mit wehleidiger Miene und den Worten “so weit ist es nun gekommen” begrüßte uns Schaffner B ö h m k e. Noch vor wenigen Wochen war er als Kürschner in Westberlin tätig. Bisher fand er keine Gelegenheit, in Hohen Neuendorf seinem eigentlichen Berufe nachzugehen, an dem er verständlicherweise hängt. Aber er ist kein Starrkopf. Kurz entschlossen begann er als Schaffner zu arbeiten, und seine Frau, die bisher nicht berufstätig war, übernahm es, den Kollegen ihres Mannes bei Arbeitsbeginn Frühstücksbrote und Kaffee zu reichen. Punkt 6 Uhr morgens stehen Thermosflaschen und Brotbüchsen bereit. [...]

Text: W. R.

 

BRD-MEDIEN

 

HINWEIS: Der Text und die Abbildung mit der zugehörigen Bildunterschrift sind  dem bundesdeutschen Lehrbuch “Zeiten und Menschen” Bd. 4 für das Fach Geschichte entnommen. (Ausgabe 1966)6

“Bau der Sperrmauer in Berlin”

West-Berlin, als “Schaufenster der freien Welt”, war täglich das Ziel vieler Zehntausender aus der Sowjetzone, die hier am deutlichsten den Unterschied zwischen demokratischer Freiheit und Diktatur feststellen und den Lebensstandard vergleichen konnten. West-Berlin war der Treffpunkt vieler durch Zonengrenze und “Republikflucht” auseinandergerissener Familien und war vor allem das Ziel von Millionen Flüchtlingen.

Am 13. August 1961 ließ Ulbricht durch Einheiten seiner “Volksarmee” die Sektorengrenze in Berlin mit Mauer und Stacheldraht versperren; nur noch eine lebensgefährliche Flucht kann einzelnen die Freiheit verschaffen. Lediglich Rentner dürfen den kommunistischen Herrschaftsbereich verlassen. Die Spaltung Deutschland ist seit dem 13. August 1961 vollkommen.

HINWEIS: Der Text und die Abbildungen mit zugehöriger Bildbeschriftung sind dem bundesdeutschen Lehrbuch “Geschichte” für das Fach Geschichte  entnommen. (Ausgabe 1967)7

“Eine 45 km lange Mauer ließ der SED-Machthaber Ulbricht an der Sektorengrenze in Berlin 1961 errichten.
Noch im letzte Augenblick versuchen Menschen aus Ostberlin, in den Westen zu entkommen.”

Da kam der 13. August 1961! In den Morgenstunden dieses Tages zogen auf Befehl der SED-Machthaber schwerbewaffnete Einheiten der Volkspolizei und der “Nationalen Volksarmee” entlang der Sektorengrenze auf. Unter dem Schutz ihrer drohenden Panzer rissen ostzonale Arbeiterbrigaden das Straßenpflaster auf, rammten Betonpfähle in die Erde und spannten Stacheldrahthindernisse. In den folgenden Tagen errichteten sie quer durch Berlin eine zwei bis vier Meter hohe und 45 Kilometer lange Mauer. Auch die Fenster der Ost -Berliner Häuser, die an die Mauer grenzten, wurden zugemauert. Die Familien mußten ihre Wohnungen verlassen. Gartenkolonien wurden niedergerissen, Wachttürme errichtet und Scheinwerfer aufgestellt, damit Volkspolizisten Tag und Nacht den Gebietsstreifen entlang der Mauer kontrollieren können.
Nur noch sieben stark bewachte Übergänge führen jetzt von West-Berlin in den Ostteil der Stadt; ihn zu betreten, ist nur Ausländern und Deutschen aus der Bundesrepublik mit besonderem Erlaubnisschein gestattet.
Die Volkspolizisten schießen auf jeden, der es wagt, der SED-Herrschaft zu entrinnen. So meldeten am 24. Mai 1962 unsere Zeitungen die Flucht eines 15jährigen Schülers aus der Zone. Er hatte sich über den Ost-Berliner Invalidenfriedhof an den kommunistischen Grenzposten vorbeigeschlichen und war in den zwanzig Meter breiten Spandauer Schiffahrtskanal gesprungen, auf dessen Mitte die Sektorengrenze verläuft. Als er noch wenige Meter vom rettenden Westufer entfernt war, entdeckten ihn Volkspolizisten von einem Beobachtungsturm. Sie schossen sofort auf den schwimmenden Schüler. Von mehreren Kugeln getroffen, tauchte der Junge und erreichte mit Mühe eine Steintreppe an der westlichen Kaimauer. Hier brach er von weiteren Schüssen getroffen zusammen. Zwei Kraftfahrern und zwei Polizeibeamten aus West-Berlin gelang es, den schwerverwundeten Jungen unter dem Kugelhagel der Volkspolizei mit einem Seil hochzuziehen und in Sicherheit zu bringen. Dabei kam es zu einem zwölf Minuten dauernden Schußwechsel zwischen westlichen Polizeibeamten und Volkspolizisten. Ein Volkspolizist wurde getötet und ein anderer verwundet.

 

 

HINWEIS: Abbildung und Text sind  dem bundesdeutschen Lehrbuch “Grundriss der Geschichte”, Bd. 2 für das Fach Geschichte  entnommen. (Ausgabe 1984)8

 

Sie [Anm.: Gemeint sind die Westalliierten.] konnten jedoch nicht verhindern, daß am 13. August 1961 die DDR-Führung eine Mauer quer durch Berlin errichten ließ, weil sie glaubte, nur so die massenhafte Flucht der Menschen in den Westen (seit 1949 etwa 2,7 Millionen ) und den damit verbundenen ökonomischen Aderlaß unterbinden zu können. Die Teilung Deutschlands war nun auch in Berlin vollstreckt worden - mit der Mauer, einem Symbol der Schwäche des kommunistischen Regimes in Ostdeutschland, aber auch einem Symbol der Ohnmacht des Westens, die bestehenden weltpolitischen Kräfteverhältnisse zu ändern.

 

 

 

 

 

Fußnoten:

1Bartel, Horst Prof. Dr. [Hrsg.] u.a., Deutsche Geschichte in Daten, hrsg. vom Institut für Geschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Berlin 1967, S. 921.
2
Beil, Herbert [u.a.], Staatsbürgerkunde Klasse 8, Berlin 1984, S. 99f.
3Mehls, Hartmut, Dr., Kein Tag wie andere, in: “Das Magazin”, Heft 8, August 1981, S. 25-28 und S. 75.
4”Das Magazin”, Heft 4/1967, S. 60f.
5
”Der Deutsche Straßenverkehr - Für Verkehr und Wirtschaft”, VEB Verlag für Verkehrswesen Berlin, Okober 1961, S. 334-336.
6Immisch, Joachim [Bearb.], Europa und die Welt, Das 20. Jahrhundert (Zeiten und Menschen. Geschichtliches Unterrichtswerk, Ausgabe B, Bd. 4), Paderborn 1966, S. 239.
7
Lasius, Rolf/ Recker, Hubert, Geschichte, Ein Lese- und Arbeitsbuch, Bd. 3: Das Zeitalter der Weltmächte und Kriege, 14.-18. Aufl., Ratingen 1967, Text S. 116f., Abb. zw. S. 120 u. S. 121.
8Alter, Peter/ Hufnagel, Gerhard/ Schwalm, Eberhardt [u.a.], Grundriss der Geschichte, Bd. 2: Neuzeit seit 1789, Klett-Verlag, Stuttgart 1984, S. 340f.

 

siehe auch: Staatssicherheit und Flucht