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Beat-Aufstand

Pop, Rock und Schlager...

Es gab sowohl Amateur- als auch Berufskünstler. Viele Musiker studierten Musik und Gesang, beherrschten mehrere Instrumente. Komponiert und getextet wurde oft selbst, wenngleich es namhafte Komponisten und Texter gab, die für zahlreiche Künstler tätig waren. Ein sehr bekannter Texter war Kurt Demmler.

Von staatlicher Seite wurde die Musik als ein politisches Mittel verstanden.

    “Das Magazin”, Februar 1969
    Auszug:


    “Den erklärten Zielen unseres Staates gemäß sollen unsere Schlager die sozialistische Menschengemeinschaft formen helfen. Wer wollte bestreiten, daß diese Aufgabe neuartige schöpferische Probleme aufwirft?”

Gerade Jugendliche orientierten sich an westlicher Musik, die aber nicht kopiert werden durfte.
Es mußte ein eigener Stil gefunden werden, der trotzdem mit der Zeit ging. Vorwiegend deutsche Texte wurden gesungen, englisch sprachige Lieder kamen erst in den 1980er Jahren vermehrt auf und bildeten eine Ausnahme.

Für Auftritte benötigten Musiker eine Spielerlaubnis. Um eine Spielerlaubnis zu erhalten, spielten die Bands vor einer Einstufungskommission. Bei der Beurteilung wurde auch die Höhe des Honorars festgelegt. Vom Rat des jeweiligen Kreises, Abteilung Kultur, wurde dann die Spielerlaubnis vergeben. Allerdings konnte einem die Spielerlaubnis bei politischem “Fehlverhalten” wieder entzogen werden.

 

Plattenlabel

AMIGA war das bekannteste Plattenlabel der DDR.

Es war bis 1953 eine Marke der Schallplatten GmbH Lied der Zeit.
Dann wurde AMIGA verstaatlicht und war bis 1955 der VEB Lied der Zeit angegliedert.
Später wurde der Betrieb umbenannt in VEB Deutsche Schallplatten.
Unter diesem Dach existierten weitere Labels. Eterna produzierte Klassische Musik, Nova zeitgenössische Musik, Schola Unterrichtsmaterialien, Litera Literarisches und Aurora Aufnahmen von Ernst Busch (seit 1978).

Neben inländischer Pop-, Rock- und Schlagermusik wurde unter AMIGA in den 1980er Jahren auch westliche Musik veröffentlicht, z.B. Howard Carpendale, Modern Talking, Sandra oder Münchener Freiheit.

 

INTERPRETEN
 

 

Veronika Fischer und Band (“4 PS”)

 

Veronika Fischer sang zunächst bei der Gruppe Stern Meissen und Phanta Rhei. Seit 1973 trat sie mit eigener Band auf. Bekannte Songs waren u.a. “Daß ich eine Schneeflocke wär”, “Klavier im Fluß”, “Blues von der letzten Gelegenheit” oder “Kinder des Sonntags”.

1981 reiste sie in die BRD aus.

 

PUHDYS

Die Puhdys waren die erfolgreichste DDR-Band mit weltweit verkauften 15 Millionen Tonträgern. Bereits 1965 gegründet, begann die Karriere mit einem Konzert im Jahr 1969. Die Puhdys machten raue Rockmusik und orientierten sich u.a. am Stil von “Deep Purple” oder “Led Zeppelin”.

Der erste Song in deutscher Sprache hieß “Türen öffnen sich zur Stadt”.

1976 durften die Puhdys als erste Rockgruppe der DDR in der Bundesrepublik spielen.

Erfolgreich haben sie auch den bekannten Spielfilm “Die Legende von Paul und Paula” vertont.

Einige LPs der Puhdys waren “Perlenfischer” (1978), “Schattenreiter” (1982) und “Das Buch” (1984).

 

KARAT

Karat, in: Das Magazin, Heft 1, 1979, Berliner Verlag, S. 61.Die Gruppe bestand seit 1970. Sie ging aus der Band Panta Rhei hervor, nachdem die Sängerin Veronika Fischer die Gruppe verließ. Karat setzte sich aus folgenden Musikern zusammen: Michael Schwandt, Henning Protzmann, Herbert Dreilich, Bernd Römer und Ed Swillms (siehe Foto: v.l.n.r.)

Im Gegensatz zu den souligen Songs von Panta Rhei, waren die Stücke von Karat sehr melodiös.

Trotz stets wechselnder Besetzung war Karat sehr erfolgreich.

1978 kam die erste LP auf den Markt mit den Hits “König der Welt” und “Über sieben Brücken”, das von Peter Maffay aufgegriffen und dadurch auch in der Bundesrepublik zum Evergreen wurde.
Weitere bekannte Platten waren u.a. “Der blaue Planet” (1982) und “Fünfte Jahreszeit (1987).

 

INES PAULKE

HINWEIS: Der nachfolgende Text ist folgendem Medium entnommen:
Das Magazin, Heft 5, 1988, S. 62f:

Drei Kapitel Ines Paulke

Sie ist ein ausgesprochen hübsches Mädchen, sympathisch zudem. Ist hinreichend musikalisch und schön beweglich. Hat Stimme und kann damit umgehen. Das müßte eigentlich reichen zum Erfolg als Popsängerin, mag mancher denken. Nun, Ines hatte Jahre in Schulchor und –singeklub, den sie gründete und leitete, hinter sich, Klavier- und Gitarrenunterricht, sechs Jahre als Sängerin in der Amateurband “Motiv”, mit der sie Arbeiterfestspiel-Gold gewann und Spitzenprädikate bei zentralen Leistungsvergleichen erhielt. Sie hatte vier Jahre klassischen Gesang an der Bezirksmusikhochschule Gera studiert und mit eigenen Chansons mehrmals Gold bei Volkskunstolympiaden errungen, bevor sie 1982 den Berufsausweis erhielt und den Preis der Presse beim nationalen Nachwuchsfestival “Goldener Rathausmann” in Dresden. Ende des ersten Kapitels.

Das zweite spielte in Berlin. Es ist kein glückliches. Am wohlsten fühlt sich Ines mit einer, in einer Band. Doch was sie bei den Amateuren aufgegeben hatte, fand sie unter Profis nicht wieder. Gut, daß Ehemann Hendrik ihr zur Seite stand, Eigenes hinanstellte, damit sie ihren Weg gehen konnte. Doch den ging sie – arbeitete an Gesang, Gestaltung, Bewegung, an eigenen Texten, stellte sich dem Publikum solo, suchte und fand Verbündete. Den Komponisten Arnold Fritzsch vor allem. Der schrieb ihr “Liebe tut weh”, “Wie im Regen”, “Himmelblau” – Titel, mit denen sie seit 1986 wieder aufhorchen läßt, und “Hauch mir wieder Leben ein” (Text: Ines Paulke). “Ines hat Feeling”, sagt Arnold Fritzsch, “sie spürt auf, was in einem Lied liegt, führt ihm Eigenes zu.” Ines kennt die Tiefen zu gut, um sich im ersten Erfolg zu verlieren, doch ihr heiteres Selbstbewußtsein, ihre musikantische Lust setzt neue Lichter. Wir sind schon mitten im dritten Kapitel, nicht im letzten.

Text: Karl Drossel
Foto: Herbert Schulze

 

ELECTRA

HINWEIS: Der nachfolgende Text ist folgendem Medium entnommen:
Das Magazin, Heft 11, 1980, S. 6249:

Ein Madrigal von Orlando di Lasso, glasklar im schönen Satz gesungen, bot die Gruppe “electra” den Schlagerfreunden im Großen Saal des Dresdner Kulturpalastes. Holte sie mit hartem Schlag, mit schwingenden e-Gitarren ins Heute - “Wie sie schwebt, schwebt über Wolken daher...”. Das gehörte zu den glücklichsten Minuten im wechselvollen Programm des Schlagerfestivals der sozialistischen Länder “Dresden 80”. Für “Das Bild” aus ihrer Rocksuite “Die Sixtinische Madonna” vor allem erhielt “electra” zum großen Applaus die Stimmen der nationalen und der internationalen Jury: Grand Prix!
An diesem Abend hoben wir das Glas und stießen an - mit Bernd Aust, der die Gruppe vor fast 12 Jahren gründete und seither leitet, der an den Tasteninstrumenten steht, Alt- und Sopransaxophon, Piccolo- und Querflöte bläst, der zahlreiche Titel und auch die “Madonna” komponierte, mit Peter Ludewig (Schlagzeug) und Wolfgang Riedel (Baßgitarre), die seit der Gründerzeit dabei sind, mit Rainer Uebel (Tasteninstrumente) und Gisbert Koreng (Gitarre), die auch schon sieben Jahre dazugehören, mit Manuel von Senden (Gesang), der 1978 zur Gruppe stieß.
Die Wege der Jurys sind oft unerforschlich - auch dafür gab’s in Dresden manches Beispiel -, “electra” aber kann nicht klagen: 1976 Silbermedaille beim Interpretenwettbewerb, 1977 Diplom, 1979 Goldmedaille der Leistungsschau, 1980 Ehrendiplom beim Interpretenwettbewerb. Auch die Wege des AMIGA-Lektorats sind nicht immer ganz durchschaubar, aber “electra” kann hier ebenfalls nicht klagen: 1974 erschien die LP “electra”, 1976 “adaptionen”, 1980 “electra 3” und “Die Sixtinische Madonna”. Das sind stolze Erfolge, doch die Jahreszahlen weisen aus: Es gab fette und weniger fette Jahre.
Da waren - natürlich - die ersten Jahre nach dem Hochschulstudium, eine Zeit des Suchens, der ersten Schritte von der Tanzmusik zum Rock. Und da war es der Rundfunk, konkret: die Produzentin Luise Mirsch, die “electra” entdeckte, ihnen über Beatles- und Beach Boys -Titel hinaus zu Eigenem verhalf, indem sie Mut machte und riet, sachkundig und freundlich, indem sie vor allem produzierte: “Schritte” hieß der erste Titel, heute liegen ihrer mehr als siebzig im Rundfunkarchiv. Seit Anfang der siebziger Jahre, mit der “Rhythmus”-Aktion des Rundfunks wurde “electra” zum Begriff in der DDR-Rockmusik.
Es gab die Adaptionen - Bach, Mozart, Rachmaninow, Borodin - und die LP gleichen Namens mit dem tollen Absatz, doch die Folgen: In die Wertungssendungen kam “electra” damit nicht, im Schatten dieser großen Namen wollten eigene Titel nicht so recht gedeihen, es wurde etwas stiller um die Gruppe. Und da war es Horst Mittag, stellvertretender Direktor des Friedrichstadtpalastes, der das Mentorenamt übernahm, der mit der Gruppe klare Zielvorstellungen entwickelte und als Mensch und Fachmann seines dazutat, daß “electra” sie erreichte: ein rundes, reizvolles Programm mit bewährten und guten neuen Titeln, mit Titeln von den Beatles, Genesis und Jethro Tull, mit Lichtkonzeption und wohlerwogener Ansage ... pünktlich zur Leipziger Leistungsschau! Seit 1978 ist “electra” wieder da.
Nun hätten sich Luise Mirsch und Horst Mittag sehr schwer getan, wenn Bernd und seine Musikanten nicht so wären, wie sie sind. “Von Anfang an waren wir uns einig, daß es nicht zuerst ums Geldverdienen geht, sondern um gute, um unsere Musik. Wir waren uns einig, daß wir uns strecken müssen und wonach wir uns strecken müssen”, sagt Bernd. Also hörten sie sich wohl um, welche Wege die Rockmusik international ging, übernahmen aber nur, was ihre eigenen Auffassungen stützte. Also beschäftigten sie sich intensiv mit der Klassik, kultivierten ihren musikalischen Geschmack und bereicherten ihr instrumentales Können. Heute spielen die sechs sechzehn Instrumente, Bernd hat sich zu einem Komponisten von Rang entwickelt, auch Rainer, Peter und Manuel komponieren. Und in all den Jahren war Kurt Demmler, unser wohl produktivster Rocktextautor, ihr anregender, streitbarer Partner.
Ich gebe zu, auf den ersten Blick geht das nicht zusammen: Diese sechs Musikanten in der Pracht ihrer Locken, wie sie sich bilderreich und im schönsten Sächsisch ihre Geschichten erzählen, einander auf den Arm nehmen und sich ausschütten wollen vor Lachen, und die “Sixtinische Madonna”, Raffaels Meisterwerk. Aber wann sitzt man mit ihnen zusammen und hat seinen Spaß? Meist doch nach dem Konzert, wenn sie alles gegeben haben, wenn sie abgespannt und aufgedreht zugleich sind - und auch dann kommt immer wieder ins Gespräch, was sie ernsthaft beschäftigt: der letzte Auftritt und der nächste, was gut war und was besser gemacht werden muß. Es war wohl keiner dabei, als Bernd über den Büchern saß, über Raffael, sein Werk und seine Zeit las, was er in die Finger bekommen konnte, als er am Flügel komponierte, arrangierte, als sie ihre Rocksuite gemeinsam probten, besserten und schließlich so weit hatten: mit dem Reichtum ihrer Melodieeinfälle und doch überschaubar und schlicht, mit ihrem ideenreichen, aber durchsichtigen Arrangement, kunstvoll in der Verbindung aller Teile, der so unterschiedlichen musikalischen Elemente wie Rock und Madrigal und Bauerntanz, mit ihrem zutiefst humanistischen Anliegen, Schönheit und Würde des Menschen zu achten und zu schützen.
Wenn man die sechs näher kennt, wie sie bei aller Unterschiedlichkeit der Temperamente und Charaktere harmonieren, weil einer den anderen respektiert, wenn man in ihre Titel hineinhört, die eigentlich von allem Anfang an unterhalten und immer auch menschlich bereichern wollen, dann versteht man auch, wie tief ein Werk wie die “Madonna” bei ihnen angelegt ist, wie tief sie mit ihrem Schaffen in Tradition und Gegenwart ihrer Heimatstadt Dresden verwurzelt sind.

Text: Bernhard Hönig

verwendete Literatur:

  • Hintze, Götz, Rocklexikon der DDR. Das Lexikon der Bands, Interpreten, Sänger, Texter und Begriffe der DDR-Rockgeschichte, 2., erw. Aufl., Berlin 2000.