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Versorgungsmangel

Zuschauerbrief von Marion Mann, Telefonistin aus Mühlen an die Fernsehsendung “Prisma”,
29. Dezember 1979
Auszug:

“Ich möchte mal höflich anfragen, ob die Zustände, welche im Kreis Meißen herrschen, ob es ein Dauerzustand wird. Ich bin 62 Jahr; Schwerstbeschädigter und Diabetiker, gehe trotzdem arbeiten, da Arbeitskräfte fehlen. Bin Telefonistin.

Ich muß früh 4.00 Uhr aufstehen und bin 16.00 Uhr zuhause. Freizeit ist da nichts diese braucht man zum einkaufen. Ohne etwas warmes zu trinken geht man zur Arbeit, denn ich kann doch früh nicht erst den Herd anfeuern. Es gibt schon zwei Jahre keine Tauchsieder und keine elektr. Kocher und wenn dann muß man Beziehungen haben. Da ich arbeite und behindert bin kann ich nicht dauernd auf Reisen sein. Ich wohne auf dem Dorf, da gibt es nicht viel an Fleisch und Fischwaren immer das einerlei. In Nossen gibt es auch nicht viel und wenn dann Dauerschlangen und das halte ich nicht aus. Ölsardinen und Fischfilet sind Fremdwörter für uns. Ja wer Verwandte im Westen hat, die lassen sich alles schicken, das sieht man hier bei uns im Betrieb bei den Genossen. Ich bin völlig alleinstehend und habe keinen, der sich für mich anstellen kann.

Genau mit Bettwäsche, Handtücher und Wischtücher. Wenn es etwas gibt dann nur in der Zeit wo wir arbeiten. Es stehen auch immer wieder die selben Personen an so das diese schon so viel haben was gegen anderes getauscht wird. Gibt es da überhaupt noch eine Gerechtigkeit. Es wird ja mit dem einkaufen immer schlechter, nicht mal Kerzen für den Weihnachtsbaum nur wer Zeit hatte und sich anstellen konnte, da könnte man noch so vieles aufzählen.

Bettwäsche gab es im Herbst für 380 M und Handtücher 4 Stück 33,00. Das kann ich mir allerdings nicht leisten. Ich bin nicht gegen den Sozialismus und begrüße alles was die Partei tut. Habe meine Gesundheit im Bergbau eingebüßt, aber so wie es jetzt gemacht wird finde ich nicht für richtig, nur mit Beziehungen bekommt mann und die habe ich nicht. Ich bin schon gewarnt worden ich sollte nicht schreiben ich würde nur eingesperrt, aber es ist doch die Wahrheit. Für eine Antwort wäre ich sehr dankbar.”

Mit sozialistischem Gruß1

 

La femme en République Démocratique Allemande, Berlin 1967.

Derart volle Regale waren der Wunsch vieler DDR-Bürger, der sich jedoch bis zum Untergang der DDR nicht erfüllen sollte. Solche Szenen wie auf der Abbildung wurden für die Presse gestellt, um den Eindruck einer gut funktionierenden Wirtschaft zu erwecken.

 

 

Dienstleistungswillkür

Zuschauerbrief von Hanna Kraft aus Brodau an die Fernsehsendung “Prisma”, 4. Januar 1987
Auszug:

“In Brodau Kreis Delitzsch Bezirk Leipzig wohne ich, in unserer Gemeinde mit ca. 500 Einwohner ist eine schöne Verkaufsstelle für Lebensmittel des Konsums. Nicht aber in Ordnung ist es mit der Leiterin und ihrer Schwägerin als Kassiererin. Bis August war noch eine Verkäuferin mit beschäftigt. Die Öffnungszeiten dieser Verkaufsstelle sind eine Katastrophe.

Bis August bei drei Beschäftigten waren die Öffnungszeiten wie folgt:

Montag u. Freitag 9-14.00, Dienstag 9-15.00, Mittwoch 9-13.00 u. 14-15.00, Donnerstag 9-16.00. Als die eine Verkäuferin aufhörte, wurden die Öffnungszeiten wieder geändert: Täglich von 9-14.30. Nach vierzehn Tagen war das noch zu lange, so wurde für Mittwoch 10-14.30 geöffnet. Wenn irgend etwas vorliegt, wird der Laden ab 12.00 oder ganz geschlossen, je nach Belieben, auch ohne Genehmigung. Mehrere Frauen arbeiten außerhalb und können nicht in Brodau einkaufen, da sie erst nach 16.00 heimkommen.

Der Konsum wird reich an Waren beliefert, das erfuhren wir vom Bürgermeister. Das Warenangebot ist nicht für jedermann zu sehen. Es ist ein Zuteilungskonsum und wird von der Leiterin bestimmt und ausgehändigt wer von bestimmten Sachen etwas haben soll oder nicht! - Brot am Freitag zu erhalten ist Glück und oft hart. Wer am Freitag Milch haben will muß diese Montag-Dienstag bezahlt haben. Leere Milchflaschen bringen Sie dorthin wo Sie die Milch gekauft haben, wurde mir einmal gesagt.

Brauseflaschen nur Montag u. Dienstag Vormittag Annahme. Die Einkellerungskartoffeln müssen 8-14 Tage vor der Lieferung bezahlt werden und das Pfandgeld für die Säcke auch. Manche Familie hat da Schwierigkeiten mit dem Geld. - Wir haben hier eine größere LPG: die Tierpfleger dürfen sich ausnahmsweise ab 7.00 Brötchen einkaufen “hintenherum”.

Sie möchte ein Bestellsystem einrichten, dann weiß keiner mehr was er kauft und bezahlt, weil sie dann einpacken kann wie es ihr gefällt .

Auch hat sie geäußert, nur solange zu arbeiten wie eine Frau in der Industrie. Eine Beschwerde an die Vorsitzende der Konsumgenossenschaft in Delitzsch Frau Fricke ist zwecklos, sie meint das liegt nur am Bürgermeister, der Bürgermeister widerum darf auch “hintenherum” einkaufen und ändert nichts.

Die Einwohner von Brodau aber können keine Kritik laut äußern, denn dann brauchen sie sich nicht mehr im Konsum sehen zu lassen!

Zur Zeit ist die Situation so, daß der größte Teil der Brodauer außerhalb in Zschortau 2 1/2 km oder Delitzsch 4 1/2 km einkauft.

Ich bin Hörer Ihrer vielen Sendungen und sehr erstaunt, was Sie verehrte Frau Ebner schon alles erreicht haben, vielleicht können Sie auch uns helfen?

Wir wünschen uns wie früher einen Konsum der von 9-13 u. 15-18.00 geöffnet hat, und ein Warenangebot das für alle Kunden sichtbar ist, dann können alle Brodauer hier einkaufen und müssen nichts von außerhalb heimschleppen.

Hochachtungsvoll”2

 

 

TIPP: Ein Tagebuch gibt Aufschluß über den Versorgungsmangel Mitte der 1980er Jahre:

http://www.ddr-hoerspiele.de/HuV.htm*

 

Fußnoten:

1Merkel, Ina (Hg.), “Wir sind doch nicht die Meckerecke der Nation.” Briefe an das DDR-Fernsehen. (Alltag und Kultur; Bd. 4), Köln 1998, S. 99.
2ebd., S. 117f.