HINWEIS: Beim nachfolgenden Text handelt es sich um ein Schreiben einer Jugendklub-Betreuerin. In Ihrem Bericht schildert sie die
herrschenden Zustände und kritisiert die Leitung des Jugendklubs. Um sich Gehör zu verschaffen, appelliert die Verfasserin dieses Berichtes, dem Namen des Jugendklubhauses gerecht zu werden und erinnert an die
Zielsetzung der FDJ-Organisation. Der Leser kann dem Schreiben indirekte Informationen entnehmen, beispielsweise über die erzieherischen und ideologischen
Aufgaben des Jugendklubs oder über Probleme aufgrund fehlenden Engagements.
Das Jugendklubhaus *** trägt einen Namen, der verpflichtet. Leider hat die Jugend von diesem schönen Heim nicht Besitz ergriffen, und das Niveau des
Heimes entspricht in keiner Weise dem eines Jugendklubhauses der Freien Deutschen Jugend.
Unsere fortschrittliche Jugend geht an dieser für sie geschaffenen Möglichkeit der Freizeitgestaltung vorüber.
Zur Zeit sind solche Jugendliche im Haus Stammgäste, die sich rühmen zu Fasching unter den Rowdys am N*** Bahnhof zu sein. Diese Jugendlichen scheinen es
darauf anzulegen, den im Volksmund in der Umgebung des Heimes gebräuchlichen Ausdruck “Scheune” rechtfertigen zu wollen.
Normalerweise sind die Sitze der Sessel zum Sitzen da, hier dienen sie zum Abtreten der Schuhe. Gesessen wird grundsätzlich auf der Lehne. Der Fußboden
ist ein großer Aschenbecher.
Was Veranstaltungen betrifft, so kommen für sie nur Tanz- oder Musikabende, aber “heiße Musik”, oder Skatabende infrage.
Nicht selten hört man, das ist unser Klubhaus, hier wollen wir uns wohlfühlen.
Eine Frage drängt sich auf: Gibt der Staatsapparat in so großzügiger Weise Geld aus für die Erhaltung des Hauses und die Gestaltung des Lebens im Haus
für 20 “Halbstarke” oder für unsere junge Generation, die den Aufbau des Sozialismus weiterführen wird?
Bezahlt die FDJ 5 Funktionäre zur Erziehung junger Menschen zu jungen Sozialisten oder zur Pflege von einigen “Halbstarken”? Es gilt hier zu
trennen zwischen Erziehungsheim und Jugendklubhaus!
3 Dinge laufen im Klubhaus zufriedenstellend:
Einmal die Filmvorführungen, 3-4 in der Woche. Die Jugendlichen haben freiwillig den Saaldienst und die Kassierung übernommen, das Programm ist
kulturpolitisch gut. Die Disziplin während der Veranstaltungen läßt noch zu wünschen übrig.
Dann wird wöchentlich ein Streitgespräch mit einem aktuellen politischen oder wirtschaftlichen Thema durchgeführt. Hier muß dem Leiter des Hauses
bestätigt werden, daß er ein sehr guter Propagandist ist. Nur muß er die Abende besser vorbereiten und sie vor allem nicht immer allein durchführen, sondern erfahrene Genossen aus der Partei oder dem Staatsapparat
hinzuziehen.
Desweiteren laufen ständig mehrere Arbeitsgemeinschaften wie Kochen, Nähen, Gesellschaftstanz, Ballett, Malen-Zeichen und Akkordeon. Der verantwortliche
Funktionär scheint mir jedoch dieser Aufgabe nicht gewachsen. Er sieht nur die organisatorische Seite, nicht aber die wesentlichste, erzieherische Arbeit, die zu leisten ist. Dafür ist er einfach zu jung und ohne
jede pädagogische Begabung.
Zur Beurteilung der Personen gleich eine grundsätzliche Einschätzung: Bisher ist von den Leitungen des Hauses immer gesagt worden: Es kümmert sich weder
der Staatsapparat um uns (außer, wenn es um Geld geht), noch bekommen wir von der Bezirksleitung der FDJ genügend Hilfe. Die Mißstände des Hauses sind aber keinesfalls von außen zu beheben. Der grundlegende Fehler
liegt darin, daß man nur junge Menschen mit der Leitung des Hauses betraut hat. Hier gehört ein erfahrener Pädagoge her, der seine jungen Mitarbeiter zu einem festen, echten Kollektiv zusammenschließt und mit ihnen entsprechend den Möglichkeiten eines Klubhauses an der sozialistischen Erziehung unserer Jugend teilnimmt.
Vom jetzigen Leiter wird das Wort Kollektiv zwar einwandfrei definiert, aber er scheint sich persönlich dabei nur für Bierrunden zu entscheiden. Es geht
nicht an, daß sich der Leiter mit dem Hausmeister einschließt, um in Ruhe zu trinken. Das nicht nur einmal.
Oft werden Veranstaltungen am gleichen Abend abgesagt, weil in der organisatorischen Vorbereitung etwas nicht geklappt hat, sie nicht intensiv genug war.
Alles, was im Klubhaus geschieht, geht schleppend, langsam und ohne Schwung. Daß für ein Laientanzorchester aus dem --- Werk DM 9000,- gezahlt werden,
ist wohl auch nicht in Ordnung.
Der Hausmeister hat während meiner Arbeitszeit im Klubhaus nicht ein Mal genaue Anweisungen vom Leiter erhalten. Dabei läuft er den ganzen Tag im
verdreckten Heizerkittel herum, setzt sich so in die Sessel. In jeder Etage ist nur eine Toilette in Betrieb, die Sesselbezüge stehen vor Dreck. Die gewaschenen Gardinen lagen 2 Monate, bis sie (auch nur
provisorisch) an die Fenster kamen, der Schaukasten vor dem Haus steht schon einen Winter lang schief und ist beschädigt, und in jeder Ecke des Hauses liegen kaputte Möbel.
Ich vermute folgendes: Der eine hat vor dem anderen kein reines Gewissen. Die Frau des Hausmeisters sagte mir einmal nach einer Faschingsveranstaltung: “Was wollen sie, jetzt ist es hier schon gut, aber es hat Zeiten gegeben, da gab eine Frau der anderen die Klinke unserer Wohnungstür in die Hand, und der Günter (Leiter) war mit dabei.” Das ist eine große Anschuldigung, beruht sie aber auf Wahrheit, ist der Grund zu allem Übel klar.
Die nächsten Aufgaben:
-ein neuer Leiter mit den entsprechenden Erfahrungen
-Inventur im ganzen Haus zusammen mit der Haushaltssachbearbeiterin, die sich viel Mühe gibt, allein aber zu schwach ist
-Zusammenarbeit mit den Grundorganisationen der 3 Patenbetriebe und evtl. aus diesen Jugendlichen eine Klubkommission bilden
-Ganz individuell müssen positive Jugendliche aus Betrieben für das Haus geworben werden.
-Ich glaube, daß ein guter Leiter den Hausmeister nicht lange behalten wird.
-einigen wenigen von den jugendlichen Stammgästen das Haus verbieten, den anderen Benehmen beibringen, es fehlt am Vorbild
-Es ist einfach unmöglich, daß in einem Jugendklubhaus ein Sittlichkeitsdelikt vorkommt.
-Die Lage des Hauses erschwert selbstverständlich die Arbeit. Doch sollten sich nicht gerade dort Genossen finden, die in der Arbeitsjugendbewegung
Erfahrungen gesammelt haben und sich hier abends als ehrenamtliche Helfer mit den Freunden beschäftigen? Die Klubleitung allein kann keine intensive Erziehungsarbeit leisten.
-Wenn es gelingt, ein gutes Klubleben zu entfalten, zu dem jetzt nur die ideellen, aber keine materiellen Voraussetzungen fehlen, dann ist die Belegung des Hauses mit der Kammerbühne
für die Dauer unhaltbar.
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