HINWEIS: Die nachfolgenden Texte sind Zeitungen und anderen Druckerzeugnissen entnommen, die zu DDR-Zeiten in Ost- und Westdeutschland erschienen. Ihre
Inhalte sind kritisch zu lesen.
Die Neue Zeitung1, Montag, 13. Juli/ Nr. 163, Seite 3:
SED BEFIEHLT AUFLÖSUNG UNPRODUKTIVER LANDWIRTSCHAFTLICHER KOLCHOSEN
Berlin, 12. Juli (NZ). - Alle landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften in der Sowjetzone, die nach der diesjährigen Ernte keine ausgeglichene Bilanz aufweisen können, sollen aufgelöst und der Grund und
Boden sowie die landwirtschaftlichen Geräte soweit wie möglich ihren ehemaligen Besitzern zurückgegeben werden. Diese Anordnung trafen Vertreter des SED-Zentralkomitees und des sowjetzonalen
Landwirtschaftsministeriums, die gegenwärtig Maßnahmen beraten, durch die die bisher von der SED forcierte Kollektivierung rückgängig gemacht werden soll. Ehemaligen Mitgliedern landwirtschaftlicher
Produktionsgemeinschaften sollen außerdem zum Wiederaufbau ihrer eigenen Wirtschaften umfangreiche Kredite zur Verfügung gestellt werden. Die Sowjetzonenregierung hatte bereits vor einiger Zeit auf Vorschlag des
Politbüros der SED beschlossen, Mitgliedern von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften den Austritt zu gestatten. Die kommunistische “Nationale Front” und andere sowjetzonale Organisationen
haben die Bevölkerung aufgefordert, als “freiwillige Erntehelfer” auf das Land zu gehen. Es würden viele tausend Helfer aus den Städten und Betrieben benötigt, um die Ernte rechtzeitig einzubringen.
Nachdem den “Kriegshetzern ihre verbrecherischen Provokationen” am 17. Juni mißlungen seien, versuchten sie, “mit Hilfe von Saboteuren und Agenten besonders auf dem Lande die Arbeit zu
stören”. In Westberlin sieht man in diesen Appellen eine Bestätigung für Berichte über eine noch andauernde Unruhe unter den Bauern und über zurückgebliebene Erntearbeiten.
Zurückgeholte Bauern flüchten erneut
In den letzten Tagen hat der Anteil der Bauern unter den politischen Flüchtlingen aus der Sowjetzone wieder zugenommen. Zum Teil handelt es sich um Bauern, die bereits früher geflüchtet
und auf Grund der Versprechungen der sowjetdeutschen Regierung in ihre Heimatorte zurückgekehrt waren. Dort wurde ihnen jedoch bedeutet, sie könnten mit der Rückgabe ihres Eigentums vorläufig nicht rechnen und
hätten außerdem Strafverfolgung wegen “Republikflucht” zu erwarten. Aus dem Kreis Niederbarnim berichten geflüchtete Bauern, daß in vielen Dörfern
eine starke Verknappung sämtlicher Konsumgüter aufgetreten ist.
Funktionäre beim Rübenziehen
4.000 Funktionäre und Verwaltungsangestellte des Bezirks Neubrandenburg müssen seit vier Tagen bei Erntearbeiten helfen, “um das Vertrauen der Bevölkerung zur Regierung wiederzugewinnen”. Die Verwaltungsfunktionäre erwiesen sich jedoch zum größten Teil zur Landarbeit ungeeignet und wurden lediglich zum Rübenziehen und Unkrautbeseitigen eingesetzt.
Fußnoten:
1 Angabe folgt ...
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