EINLEITUNG
Die Mauer, die als „antifaschistischer Schutzwall“ gegen angeblich feindliche Übergriffe
Westdeutschlands erbaut wurde, wird auf vielen Internetseiten behandelt. Gibt man das Suchwort „Mauerbau“ ein, erhält man 202.000 Treffer. Wenngleich das Angebot zunächst überwältigend groß zu sein scheint,
beschränken sich die Erläuterungen meist auf den Bau der Berliner Mauer. Dabei wird vor allem der Beginn des Mauerbaus im Jahr 1961 beleuchtet. Bilder, Ton- und Videoaufnahmen sowie zahlreiche Buchtipps ergänzen das
Informationsangebot.
Die im Jahr 2005 erschienene DVD „Mauerbau“ stellt eine jugendgerechte, didaktisch gut aufgearbeitete
Alternative dar, die sich nicht nur mit dem Bau der Berliner Mauer, sondern auch mit dem kontinuierlichen Ausbau der innerdeutschen Grenze in den folgenden Jahrzehnten bis zum Untergang der DDR im Jahr 1989/90
auseinandersetzt. Im Mittelpunkt steht eine im Jahr 1977 aufgezeichnete Unterrichtsstunde, die deutlich macht, wie die DDR den Bau der Mauer rechtfertigte und das Thema an den Schulen behandelt wurde. Mit Film- und
Tondokumenten aus DDR-Zeiten, Zeitzeugengesprächen und zahlreichen Vorschlägen zum Einsatz im Unterricht ermöglicht die DVD eine anschauliche und vielseitige Auseinandersetzung mit der Thematik.
Hintergrundinformationen zur Entstehung und Aufbereitung der Quellen schulen außerdem den Umgang mit zeitgenössischen Materialien.
INHALT UND AUFBAU
Die DVD setzt sich mit dem Bau der Berliner Mauer und dem Ausbau der innerdeutschen Grenze seitens der DDR auseinander. Im Mittelpunkt steht dabei ein
47minütiger Film aus dem Jahr 1977, der für die Lehrerbildung und die pädagogische Forschung aufgezeichnet wurde. Er dokumentiert eine Unterrichtsstunde,
die sich mit dem Bau und Ausbau der Grenzbefestigung auseinandersetzt. Anhand des Films ist es möglich zu hinterfragen, wie das Thema damals vermittelt
wurde und ob eine Auseinandersetzung mit dem Mauerbau stattfand. Dabei lassen sich Vergleiche zur heutigen Unterrichtsgestaltung ziehen. Die Schwarzweiß
-Aufnahme und die teilweise sichtbaren Mikrofone erzeugen außerdem eine Distanz zum Betrachter und vermitteln ihm das Gefühl, das Geschehen heimlich zu
beobachten. Der Wechsel zwischen der Totale und einigen Nahaufnahmen von Schülern und der Lehrerin ermöglichen eine differenzierte Wahrnehmung der Unterrichtsstunde.
Dem Unterrichtsmitschnitt steht der ebenso lange Film „Halt! Zonengrenze“ gegenüber, der vom Journalisten Franz Joseph Schreiber von 1954 bis zur Wende
den Ausbau der innerdeutschen Grenze durch die DDR dokumentiert. Die Bilder sind durch Kommentare des Filmers kommentiert. Schreiber steht den gefilmten
Ereignissen ablehnend gegenüber, so daß sich die Filme hinsichtlich der Bewertung ihres gemeinsamen Inhalts konträr gegenüberstehen. Ein Vergleich der
unterschiedlichen Positionen bietet sich geradezu an. Damit stellt sich aber auch die Frage, wie die Ereignisse von heutigen Schülern bewertet werden, die im
Unterschied zu den Schülern im Jahr 1977 über vielfältige Einblicke in das Geschehene verfügen. Außerdem drängt sich die Frage auf, wie die damaligen
Schüler den Mauerbau tatsächlich bewerteten - unabhängig von der offiziellen Meinung – und wie sie heute über die Unterrichtsstunde denken. 7-8minütige, im
Verhältnis zur Unterrichtsstunde kurze Interviews mit damaligen Schülern ergänzen den Lehrfilm. Leider geben nur zwei damalige Schüler Auskunft, so daß man
sich kein zusammenfassendes Urteil über das Gesagte bilden kann. Die Schüler beschreiben ihr Verhältnis zur mittlerweile verstorbenen Lehrerin und schildern
ihren späteren Lebensweg. Aus den Gesprächen geht jedoch weder ihre damalige noch ihre heutige Einschätzung des Mauerbaus hervor, so daß sich keine
Rückschlüsse auf die Wirkung der Unterrichtsstunde auf die damaligen Schüler ziehen lassen. Aus den Gesprächen wird deutlich, daß der Unterricht im
Unterschied zu der gefilmten Unterrichtsstunde mehr Freiraum für eigene Positionen ließ. Den Schülern war bewußt, daß sie gefilmt wurden. Ihr zurückhaltendes
Verhalten und das Auftreten der Lehrerin unterschied sich somit vom Unterrichtsalltag. Daß der Unterschied zwischen dem Lehrfilm und dem alltäglichen
Unterrichtsgeschehen nicht genügend berücksichtigt würde, hat nach Aussage einer ehemaligen Kollegin der Lehrerin Sorge bereitet. Daraus leitet sich ein
weiteres Themenfeld ab, dem sich die DVD ausführlich widmet: der Beurteilung von Quellen hinsichtlich ihrer Entstehung, ihrer ursprünglichen Funktion und ihres
heutigen Aussagewerts. Die DVD stellt ein etwa 7minütiges Interview mit dem Geschichtsmethodiker Prof. Florian Osborg und ein ungefähr 2minütiges Gespräch
mit dem Leiter des Medienzentrums, Dr. Hans Heun bereit. Herr Osborg, der damals, im Gegensatz zu seiner heutigen Position, den Mauerbau befürwortet hat, wirkte an der Umsetzung des Lehrfilms
mit. Er stellt fest, daß der Unterricht sich vom Lehrfilm teilweise unterschied und bewertet die didaktischen Methoden der Themenvermittlung kritisch. Herr Heun hat unter anderem die Regie geführt und
war maßgeblich an der Verfilmung beteiligt. Er steht ebenfalls dem Film kritisch gegenüber und bemängelt vor allem die Gesprächsführung im Unterricht. Die Gespräche mit den „Machern“ des Films
sind zu kurz. Eine detailliertere Auseinandersetzung mit der Gestaltung der Unterrichtsstunde und eine Erläuterung der Absichten dieses Films wäre nicht nur informativ, sondern auch hilfreich bei der
Bewertung des Quellenmaterials im heutigen Unterricht gewesen.
ARBEITSMATERIALIEN
- Acrobat Reader
- Arbeitsblätter
- Begleitheft
- Links
- Programmstruktur
- Verwendung im Unterricht
- weitere Medien
- Zusatzmaterial
- Inhaltsverzeichnis
Die DVD stellt zahlreiches Arbeitsmaterial für den Unterricht bereit. Die Dokumente stehen als pdf-Dateien zur Verfügung. Zum Öffnen wird auf der DVD der Acrobat Reader kostenlos bereitgestellt. Das
Arbeitsmaterial ist nach Sekundarstufe 1 und 2 geordnet. Die Arbeitsblätter sind in Module aufgeteilt, die jeweils einer Fragestellung nachgehen, die anhand von Zusatzmaterialien unter Anleitung durch
den Lehrer beantwortet werden können. Die Module eignen sich zur Zusammenfassung und Hinterfragung des Gesehenen.
Die umfangreichen Zusatzmaterialien gestatten eine Vertiefung des Themas anhand von zeitgenössischem DDR-Unterrichtsmaterial sowie 2 Fluchtgeschichten in Ton- und Textformat, die vom
Dokumentationszentrum Berliner Mauer bereitgestellt wurden. Um die gefilmte Unterrichtsstunde und die zugehörigen Interviews besser auswerten zu können, wurden außerdem Transkriptionen bereitgestellt.
3 Beiträge, die sich mit der Inszenierung von Geschichte und dem schwierigen Umgang mit Quellenmaterial auseinandersetzen, geben Anregungen zur Auswertung der Filmdokumente. Sie können
ergänzend oder als Grundlage für Diskussionen herangezogen werden. Aufgrund ihrer Komplexität eignen sie sich vor allem zum Einsatz in der Sekundarstufe 2.
Der Verwendung der Arbeitsblätter wird erleichtert durch Unterrichtseinheiten für die Sekundarstufe 1 und 2, die dem Lehrer bereits Vorschläge für die Erarbeitung des Themas in einzelnen
Unterrichtsschritten anhand der Module unterbreiten. Tipps für weiterführende Literatur ergänzen die Lehrmaterialien.
Über das Angebot der DVD hinaus wurden Links und weitere Ton- und Videomaterialien zusammengetragen.
EINSATZMÖGLICHKEITEN IM UNTERRICHT
Die DVD ist für den Einsatz an der Allgemeinbildenden Schule (Klasse 8-13) und im Rahmen der Erwachsenenbildung vorgesehen. Die Unterrichtshilfen für den Lehrer wurden für die Sekundarstufe 1 und
2 konzipiert. Die gefilmte Unterrichtsstunde und die bereitgestellten DDR-Unterrichtsmaterialien eignen sich dafür, den Mauerbau und den Ausbau der innerdeutschen Grenzbefestigung aus der Sicht der
DDR-Regierung zu erfassen und die propagandistischen Mittel zur Rechtfertigung der Geschehnisse zu untersuchen. Die Auseinandersetzung mit dem Gesehenen, insbesondere die Bewertung der
zeitgenössischen Quellen, muß unter Leitung des Lehrers erfolgen. Einzelne Fragestellungen können dabei in kleinen Gruppen erarbeitet und dann mit der Klasse diskutiert werden.
NAVIGATION
Die DVD startet nach dem Einlegen in das Laufwerk automatisch. Es öffnet sich das Hauptmenü, das sich in folgende Rubriken gliedert:
- Der Mauerbau im DDR-Unterricht
- Mitschnitt einer Unterrichtsstunde (1977)
- Sequenzen
- Interviews
- Der Blick von der anderen Seite
- „Halt! Zonengrenze“ Langzeitdokumentation
- Arbeitsmaterial
Die Inhalte sind ausschließlich über das Hauptmenü (Menüebene 1) zu erreichen. Die sich inhaltlich konträr gegenüberstehenden Filme einer DDR-Unterrichtsstunde und einer Dokumentation des
Mauerbaus von westlicher Seite und das Arbeitsmaterial sind direkt über das Hauptmenü anzuwählen. Die DDR-Unterrichtsstunde enthält Unterrubiken, die zu einzelnen Sequenzen des Lehrfilms und den Interviews führen.
Die Filmsequenzen der Unterrichtsstunde fächern sich auf der Menüebene 2 und 3 weiter auf. So führt beispielsweise auf Menüebene 2 die Filmsequenz
- Konsolidierung
- Innenpolitik
schließlich auf Menüebene 3 zu den Unterrubriken
- Einführung und Stundenbeginn
- Aufbau des Sozialismus
- Bewertung im Klassengespräch.
Ein direkter Link zu einem Thema auf der Menüebene 3 ist nicht vorhanden. Aufgrund einer fehlenden Suchfunktion ist die Bedienung der DVD recht umständlich. Anhand der im Beiheft und im Ordner
„Arbeitsmaterial“ vorhandenen Sitemap ist die Struktur der DVD hingegen sehr übersichtlich. Sämtliche Begleitmaterialien sind direkt über das Laufwerk (siehe Datei-Manager) im Ordner
„Arbeitsmaterialien“ im pdf-Format abrufbar. Im Hauptmenü wird unter dem gleichnamigen Link „Arbeitsmaterialien“ darauf hingewiesen, daß auch über die Website Materialien für den Einsatz im
Unterricht erhältlich sind. Ebenfalls praxisorientiert sind die Zeitangaben neben den Filmen, die sich auf diese Weise gut in die Unterrichtsplanung integrieren lassen. Die Aufspaltung der gefilmten
Unterrichtsstunde in einzelne thematische Abschnitte ermöglicht zudem die gezielte Untersuchung im Rahmen spezieller Fragestellungen. Insgesamt ist die DVD gut zu bedienen.
KURZINFORMATION
FAZIT
Die DVD bietet außerordentlich umfangreiches Material. Durch Gliederung des DDR-Lehrfilms in einzelne thematische Filmsequenzen wird die Untersuchung einzelner Fragestellungen unterstützt.
Zeitzeugeninterviews, Hintergrundinformationen zur Entstehung des Films und Texte über die äußerst schwierige Bewertung historischer Quellen ermöglichen eine differenzierte Auseinandersetzung mit
dem Mauerbau und den propagandistischen Mitteln seiner Rechtfertigung durch die DDR. Die Interviews mit den ehemaligen Schülern hätten jedoch ausführlicher sein können. Insbesondere die sich
aufdrängende Frage, wie sie selbst damals den Mauerbau vor und nach der Unterrichtsstunde bewertet haben, wurde nicht gestellt , so daß eine Bewertung der DDR-Propaganda hinsichtlich ihrer
Wirkung auf die Schüler ausbleibt. Die Schüler können sich mittels der Arbeitsblätter selbstständig mit den Inhalten der DVD auseinandersetzen. Die anschließende Auswertung der Ergebnisse und die
Einordnung der Quellen hinsichtlich ihrer ursprünglichen Funktion muß jedoch unter Anleitung des Lehrers erfolgen.
ZUSATZINFORMATIONEN
www.henning.schluss.de.vu*
Die Homepage enthält weiterführende Links rund um die DVD, zusammengestellt vom Herausgeber Henning Schluß.
www.fwu.de*
Auf der Website finden Sie Informationen zu den Inhalten, Preisen und Bestellmöglichkeiten der DVD sowie zu weiteren Angeboten.
www.stiftung-aufarbeitung.de*
Hier erhalten Sie Informationen u.a. zu Publikationen und Veranstaltungen der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die im Jahr 1998 als bundesunmittelbare Einrichtung öffentlichen Rechts
gegründet wurde.
Links zum Thema „Mauerbau“:
www.chronikdermauer.de*
Die von der Bundeszentrale für politische Bildung, dem Deutschlandradio und dem Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam betreute Website informiert über die Berliner Mauer. Neben Texten
stehen Bilder, Videos und Tondokumente zur Verfügung.
www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/DieZuspitzungDesKaltenKrieges/DieMauer*
Das Lebendige Museum Online, das vom Frauenhofer Institut für Software- und Systemtechnik, dem Deutschen Historischen Museum und dem Haus der Geschichte gestaltet wird, erläutert den Bau der
Berliner Mauer. Einzelne Begriffe sind zum besseren Verständnis verlinkt, zeitgenössische Plakate und Fotografien illustrieren die Fakten.
www.berlinermaueronline.de*
Die seit 1997 bestehende private Website von Heiko Burkhardt informiert über die Berliner Mauer u.a. anhand von Fakten, Fotos, Zeitzeugenberichten, weiterführenden Links und Buchtipps.
www.berliner-mauer-dokumentationszentrum.de*
Das Dokumentationszentrum an der Bernauer Straße informiert über seine Ausstellung, bietet Führungen und Seminare (Projekte für Schüler und Weiterbildung für Lehrer) an und stellt u.a.
Literaturlisten für den Unterricht (geordnet nach Mittel- und Oberstufe) zum Herunterladen zur Verfügung.
|